(Black Metal / Blackened Doom Metal) Im Black Metal ist es seit jeher beliebt, als Band das Logo des Namens so zu gestalten, dass es an einen Baum oder Teile davon erinnert, spielen doch in den Texten des Genres die Kraft und die Ästhetik der Natur, wilde, unberührte Wälder und die damit verbundene Einsamkeit eine große Rolle. Vier Jungs aus der Rhein-Neckar-Region gehen diesbezüglich einen sehr pragmatischen Weg und nennen sich lieber gleich plakativ GEÄST. Dass ihr Logo trotzdem was hermacht und ihre Musik alles andere als praktisch veranlagt oder schnörkellos ist, beweist die 2010 gegründete Truppe mit ihrem ersten Studio-Output „Wanderer“.
Auch bei GEÄST finden sich – wie zum Beispiel mit der Naturthematik – genretypische Elemente im Stil. Ansonsten kann man jedoch nicht behaupten, dass der Vierer besonders traditionell oder trve zu Werke geht. Einerseits setzt das Quartett trotz einiger Blast-Parts zwar eher auf Atmosphäre als auf Geknüppel, was im Schwarzwurzelbereich gang und gäbe ist. Andererseits packen die Herren auch eine dicke Portion Doom Metal in ihre Musik und unternehmen immer wieder Ausflüge in rockigere Gefilde. Das fängt beim knackigen und eher weniger frostigen Gitarrensound an und hört bei den teils straight nach vorne treibenden Midtempo-Passagen auf. Frontmann Volker Klabunde macht schon bei der Besetzungsinfo keinen Hehl daraus, dass es sich bei seiner stimmlichen Performance um „Geschrei“ handelt, zeigt sich allerdings variabel und vervollständigt die Produktion, die sich für eine Band dieser Größenordnung mehr als hören lassen kann, sowohl mit fiesem Gekeife als auch mit tiefen Testosteron-Growls.
Was die Songstrukturen angeht, so nehmen sich GEÄST überwiegend ausgiebig Zeit, um in ihre Lieder einzusteigen und sie ausklingen zu lassen. Mit Ausnahme des kompaktesten Tracks „Urbaum“ tönen alle Nummern in Überlänge aus den Boxen und nähern sich der Zehn-Minuten-Marke bzw. sprengen diese sogar. Das erreicht die Gruppe glücklicherweise nicht durch künstlich in die Länge gezogene Riffs oder langweilige Ambient-Intros, sondern vielmehr mit gelungen umgesetzten Spannungsbogen, sinnvoll platzierten Clean-Breaks und stilübergreifendem Abwechlsungsreichtum. „Waldeswimmern“ etwa verfügt – ebenso wie „Amygdala“ – über einen entspannenden, gefühlvollen Clean-Part mit Chillout-Charakter, ehe sich der Song zu einem wüsten Gänsehautrefrain aufbäumt… wenn man das angesichts des einmaligen Auftretens Refrain nennen kann.
Es sind Merkmale wie diese, die die Jam-Session-Ausrichtung des live im Studio eingespielten „Wanderer“ unterstreichen. Die zeigt sich ferner darin, dass sich auch vom Laien hier und da noch der eine oder andere Verspieler heraushören lässt, der aber vermutlich absichtlich in der Aufnahme belassen wurde. Dilettantismus an den Instrumenten kann man dem Vierer jedoch keineswegs vorwerfen, spielt er sich doch gekonnt durch stampfendes Midtempo und intensive Blast-Attacken, zähflüssige Lava-Passagen und stürmische Wutausbrüche sowie klirrende Leads und melodische bis zackige Soli.
Schön, wenn Nachwuchsbands gerade im Bereich des Black Metals neue Akzente setzen und mit innovativen Ideen für frischen Wind sorgen, anstatt die dreitausendste Retro-Platte mit Frühneunziger-Rumpelkellerflair aufzunehmen. GEÄST tun mit „Wanderer“ genau das und sollten deshalb an Genre-Liebhabern ohne Scheuklappen nicht unbemerkt vorbeiziehen. Wer sich das hochwertige Digipak nicht entgehen lassen will, beeilt sich angesichts der Auflage von 100 Stück lieber, ansonsten muss mit der digitalen Version Vorlieb genommen werden.
Wertung: 8 / 10