Review Hämatom – Schutt und Asche (DVD)

Anlässlich ihres 200. Konzerts luden HÄMATOM nicht nur Stahlmann und einige hundert Fans nach Trockau ein, sondern auch eine Filmcrew. Mit „Schutt und Asche“ ist das fertige Ergebnis nun in Form einer Live-CD/DVD-Kombo erschienen. Und die Musiker beweisen, dass sie sich über ihre neueste Veröffentlichung sowohl audiovisuell als auch konzeptionell Gedanken gemacht haben.

So durften beispielsweise die Fans im Vorfeld der Show über die Setliste des Abends abstimmen. Gemäß Voting ergab sich eine Songauswahl, die größtenteils fokussiert auf das letzte HÄMATOM-Album namens „Wenn man vom Teufel spricht“ war. Dazu mischten sich die bandinternen Klassiker wie „Eva“ oder „Schau Sie Spielen Krieg“. Stilistisch eine illustre Mischung aus Metal und Neuer Deutscher Härte mit diversen anderen Einflüssen. Crossover eben. Dieser schweißtreibende Mix fordert im Laufe des rund zweistündigen Auftritts nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne seinen Tribut: So singt bzw. schreit sich Nord im wahrsten Sinne des Wortes die Schminke aus dem Gesicht. Das klingt zwar manchmal nicht unbedingt filigran, aber stets mit Hingabe und Überzeugung vorgetragen.
Dazu werten die Franken ihren Auftritt fernab der Musik mit allerlei Ideen auf: So gibt es zum EAV-Cover „Neandertal“ drei statt einem Percussionaffen als Einpeitscher (Peter Fox lässt grüßen!) und ein Gast-Gitarrist mit goldener Maske unterstützt die vier Himmelsrichtungen bei „El Mariachi“. Dazu werden in regelmäßigen Abständen Flammensäulen, Funkenblitze und andere Pyros gezündet. Schließlich spannen HÄMATOM songthematisch einen interessanten Bogen: Bei „Sie will nur spielen“ entern mehrere Damen tanzend und fahnenschwenkend die Trockauer Bühne, während im folgenden „Wer Hat Angst“ ein notgeiler Pfarrer die Blicke auf sich zieht: Nachdem er die Fans in den ersten Reihen mit einer Klobürste und Wasser aus einem Metalleimer „getauft“ hat, macht er es sich vor dem Schlagzeug bequem, greift zum Porno und holt sich genüsslich einen runter. Schließlich spritzt er mit einem gut gefüllten Gummidildo und lustverzerrtem Gesicht wild um sich in die Menge. Sowas kennt man eher aus der Mittelalterszene und den frühen Jahren von Feuerschwanz. Vielleicht etwas zu viel des Guten, genau wie die drei Schlagzeuger bei „Kiste“ und „Schmerz“. Die beiden Songs mutieren durch diese geballte Süd-Power zu argem Lärm und weniger Musik. Dass sich musikalische Härte und eine gewisse Harmonie nicht ausschließen, beweisen HÄMATOM wiederum u.a. mit „Es ist nicht alles Gold was glänzt“ und „Friss Oder Stirb“, welche auch im Live-Umfeld an Slipknot erinnern. Die vorletzte Zugabe „Butzemann“ ist mehr eine nette Dreingabe und Hommage an alte Zeiten als ein nötiger Bestandteil in der aktuellen Vita der Süddeutschen. Inzwischen verpacken HÄMATOM ihre Gesellschaftskritik hochwertig fernab von Kinderliedern und Märchenallüren. Am Ende ist der kollektiv erhobene Mittelfinger bei „Leck Mich“ nicht nur ein verdammt intensiver Abschluss, sondern bringt die Grundaussage und -haltung von HÄMATOM plakativ auf einen passenden Nenner. Dazu gibt es noch einige andere Musiker, die sich im Laufe des Abends zum Himmelsvierer gesellen.
Die Gastspiele von Pat (Fiddler’s Green) und Mitch (Eisregen) fallen musikalisch allerdings nur durchschnittlich aus: Während der Wahlire bei „Totgesagt Doch Neugeboren Teil 2“ ohne die Unterstützung von Philip Burger (FREI.WILD) am Mikro wenig mit Nord harmoniert und zu sehr nach Prollrock klingt, macht Mitch seinem Spitznamen Blutkehle bei „Spieglein“ alle Ehre. Immerhin erntet er dafür laute „Eisregen“-Sprechchöre.

Ingesamt ist die Qualität der DVD sowohl akustisch als auch optisch gut. Die Location in Trockau ist rein von den Voraussetzungen natürlich suboptimal für qualitativ hochwertige Aufnahmen, doch die Musiker haben nahezu das Maximum aus den Möglichkeiten herausgeholt. Die Schnitte sind passend zu den größtenteils harten Riffs und peitschenden Melodien schnell und zahlreich. Auf CD überzeugt der Sound noch einen Tacken mehr als auf DVD. Dazu gibt es im rein akustischen Teil mit „Schutt und Asche“ exklusiv einen neuen Studiosong, der nicht nur namensgebend für das Package ist, sondern auch zeigt, dass HÄMATOM ihrem Stil zukünftig treu bleiben werden. Etwas schade, dass es das Stück nicht auf die DVD geschafft hat. Darüber hinaus haben HÄMATOM noch ein witzig-verrücktes „Making Of Wenn Man Vom Teufel Spricht“ auf die DVD gepackt sowie ihre offiziellen Musikvideos, die auch allesamt Bestandteil des Livematerials sind. Als Studioversionen geraten besonders „Eva“ und „Sturm“ cleaner, doch gerade der roughe Anteil und die rohe Härte stehen HÄMATOM live gut zu Gesicht. Manchmal überspannt das Quartett den Bogen zwar, doch insgesamt haben Nord, Süd, Ost und West mit „Schutt und Asche“ ihren Kompass für die Zukunft richtig justiert. Stäy kränk!

Wertung: 8 / 10

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