Review Helen Schneider – Collective Memory

  • Label: SPV
  • Veröffentlicht: 2015
  • Spielart: Entmetallisiert, Singer/Songwriter

Im Falle von HELEN SCHNEIDER ist es sicher nicht despektierlich, wenn man von einer „großen, alten“ Dame spricht. Die Schauspielerin, Musicaldarstellerin und Solokünstlerin ist bereits seit etwa 40 Jahren im Geschäft und bündelt die Erfahrungen aus mittlerweile mehr als sechs Lebensjahrzehnten in ihrem ersten eigenen Album seit mehr als 30 Jahren. „Collective Memory“ scheint dann auch ein mehr als passender Titel zu sein.

Mit fast ehrfürchtiger Spannung läuft die Scheibe das erste Mal durch und man merkt sofort, dass hier echte Profis am Werk sind. Dies gilt nicht nur für die außergewöhnliche Stimme der Frontfrau, sondern auch die dahinter agierenden Musiker spielen die 12 Songs in einer lockeren Lässigkeit herunter, was die Authentizität noch einmal auf ein neues Level hebt. Besonders die von Gitarrist Jo Ambros komponierten Melodiebögen bleiben nachhaltig im Ohr und so vermeidet „Collective Memory“ die Reduzierung auf HELEN, hier agiert einfach eine Band. Vermutlich kommt dem Projekt dabei die langjährige Zusammenarbeit von Sängerin und Gitarrist zu Gute.
Trotzdem dominiert bei der Melange aus Folk und poppigem Rock die Stimme. Dabei präsentiert sich HELEN als so wandelbar, wie man es sich bei einer so vielseitig agierenden Sängerin erwartet. Wenn es Not tut, singt sie glasklar und entfacht damit ein Stück Lebensfreude, welches sich leicht beschwingt und fast etwas naiv präsentiert.
Auf der anderen Seite gibt es Songs wie das wunderbare „Day By Day“, welches auch gut in dem einen oder anderen James-Bond-Film hätte auftauchen können. Vom Feeling her versetzt HELEN den Hörer in eine verrauchte Hinterhofkneipe eines düsteren Stadtviertels, in dem einsame Seelen der Last des Alltags entfliehen wollen. Die Nummer klingt ein wenig wie ein Chanson aus der Zeit zwischen den Weltkriegen, die leicht angeraute Stimme inklusive. Gerade Lieder wie dieses sind es, die die „Collective Memory“ innewohnende Melancholie so richtig zum Vorschein bringen.
So lässt sich die Platte also in Songs zweier Arten aufteilen, einmal lebensbejahenden Momente, aber HELEN SCHNEIDER hat eben auch die ruhigen, traurigen Songs im Angebot. Dass die Texte hierfür von Linda Uruburu, einer an der Band an sich nicht beteiligten Freundin der Protagonistin, verfasst wurden, fällt dabei keineswegs ins Gewicht.

„Let The Music Wash It All Away“ heißt es in „Take Me Away“ und das kann sinnbildlich für diese wunderbare Platte voller emotionaler, ruhiger, aber auch mitreißender Songs stehen. „Collective Memory“ zeigt eine wirklich große, alte Dame, die noch einmal am Zenit ihres Könnens kratzt. HELEN SCHNEIDER spielt nicht im Ansatz Metal, aber gute Musik und das sollte für eine Empfehlung reichen.

Keine Wertung

Publiziert am von Jan Müller

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert