Review Hiems – Freiheit & Pest

Wenn man von der Sehnsucht ergriffen ist, sich die kurzen Tage der kalten Jahreszeit mit düsteren Klängen akustisch auszuschmücken, welche vor allem die entsprechend frostige, außerhäusliche Atmosphäre widerspiegeln sollen, mag einem der Name Hiems – gewisse Lateinkenntnisse vorausgesetzt – sehr vielversprechend erscheinen, denn er bedeutet auf unserer aller Muttersprache Deutsch doch nichts anderes als „Winter“. Lediglich über Bandname, Albumtitel sowie grobe Stilrichtung informiert, vertraute ich meiner Intuition und beantragte bei unserem erbarmungslosen Boss, das kürzlich eingeflatterte Werk „Freiheit & Pest“ rezensieren zu dürfen. Die Lieferung erfolgte wie immer äußerst schnell und so konnte ich das Teil über die Weihnachtsfeiertage hinweg ausgiebig auf dem Seziertisch bearbeiten. Im Endeffekt bekam ich es natürlich nicht haargenau mit der rohen, klirrenden Materie zu tun, die ich – wenn auch insgeheim nie wirklich geglaubt – zu erhalten gehofft hatte. Dennoch handelt es sich bei „Freiheit & Pest“ um einen überaus interessanten Tonträger, welcher zudem in einem sehr schicken Gewand daherkommt. Jenes sei nicht nur hervorzuheben, weil das Album eine Eigenproduktion ist und – nach zwei veröffentlichten Demos – die erste, richtige Full-Length-CD des hessisch-nordrheinwestfälischen Quintetts darstellt. Das prachtvolle Coverartwork wurde von Sänger Andreas „Frostfuck“ Jäger kreiert, dessen Pseudonym meiner Ansicht nach durchaus mental stimulierende Wirkungen besitzt.

„Freiheit & Pest“ basiert auf einem fiktiven Konzept, welches ebenso detailliert wie umfangreich ist und in Form von sehr poetischen, gänzlich deutschsprachigen Texten dargebracht wird. Die monumentale Geschichte entstammt ebenfalls dem intellektuellen Geiste des bereits erwähnten Sängers und kann auf der Bandhompage in aller Ausführlichkeit nachgelesen werden. Laut Informationszettel handelt die Erzählung – lapidar wiedergegeben – von dem Sohn des Göttersohns. Das Konzept wurde stilistisch sowie emotional gesehen äußerst weitreichend umgesetzt und die abwechslungsreiche Vertonung bringt eine episch angehauchte, melodiöse Erhabenheit mit sich. Wüste Highspeed-Raserei gibt sich mit hymnischen Midtempo-Passagen sowie kreativen Hooklines die Klinke in die Hand, um sich selbst hin und wieder in unbändige Blastbeat-Exzesse zu steigern oder durch schleppende Abschnitte etwas Luft zu verschaffen. Dennoch erschallt die gehässige Symbiose stets wie aus einem Guss. Frostfuck spuckt nach allen Regeln der schwarzen Kunst Gift und Galle – eine baldige, chronische Insuffizienz seines Stimmorgans scheint beinahe vorprogrammiert zu sein. Allerdings wäre da eine einzige Sache, die ich leider gnadenlos exponieren muss und das ist zweifellos der niveautechnisch destruktive bis gar absolut schändliche cleane Gesang, mit welchem Frostfuck nicht nur seine eigentlich hervorragende Leistung trübt und befleckt, sondern auch derart ausgezeichneten Stücken wie „Schmutz, Geburt, Einsamkeit“ und „Sturm auf die Zivilisation“ einen gehörigen Wehrmutstropfen verleiht.

Vor allem der erstgenannte Opener besticht durch eine wunderbar flirrende, geradlinige Leitmelodie und wartet am Ende mit doppelläufigen, unheilbar wehklagenden Leads auf. „Sturm auf die Zivilisation“ ist sehr geschickt strukturiert und offenbart einige kontrolliert gedrosselte bis dennoch schwungvolle Passagen, welche den Hörer mit facettenreichem Drumming sowie der damit verbundenen, überaus songdienlichen Rhythmik verwöhnen. Rar gesäte, collagenartige Keyboardeinsätze tragen ebenfalls maßgeblich zum positiven Gesamtbild des Songs bei. „Die Erleuchtung“ ist ein geradezu tollwütiges, schwarzmetallisches Brett, welches sich in der letzten Minute jedoch eines bedrohlich kriechenden Schlussparts rühmt. Die Gitarrenarbeit erinnert mich hier ein bisschen an den Anfang von „Antichristian Phenomenon“ der polnischen Death Metaller Behemoth, auch wenn jener bei weitem schneller ausfällt. Der Titeltrack wird von besinnlichem Gitarrenspiel eingeleitet und entwickelt sich in seinem Verlauf zu einem graziösen Hassbatzen erster Güteklasse. Resümierend bin ich schlichtweg verpflichtet zu erwähnen, dass „Freiheit & Pest“ zwar in kompositorischer Hinsicht kein defizitäres Werk ist, jedoch schaffen es Hiems leider nur bedingt, dem Hörer die notwendige Theatralik zu überbringen – stattdessen weichen sie einem teilweise förmlich aus. Der Grundtenor erscheint mir so dermaßen kapriziös, dass einige Melodien schon fast wieder eine gewisse Sensibilität vermissen lassen. Vielleicht legen Hiems diesbezüglich auch einfach zuviel Wert auf Quantität und Vielfalt, was eine Reizüberflutung beim Hörer zur Folge hat, die sehr zu Lasten der Eingängigkeit fällt. Es bedarf sicherlich mehrerer Durchläufe, um mit diesem prätentiös konzipierten, latent faszinierenden Album warm zu werden. Musikalische Plattitüden sucht man hier aber in jedem Falle vergeblich. Die CD ist auf der Bandseite (www.h-i-e-m-s.de) für 8 Euro + 1,50 Euro Porto & Versand käuflich zu erwerben.

(Daniel H.)

Wertung: 7 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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