Wenn man nicht so genau hinschaut, könnte man schon denken, es hier mit einem Iron-Maiden-Werk zu tun zu haben. Der Schriftzug, der Eddie-Doppelgänger – das Album ist schon auf Verwechslung getrimmt. Verantwortlich dafür ist eine Maiden-Tribut-Band namens IRON MAIDNEM. Das Wortspielchen in diesem Namen durchblickt man natürlich nur, wenn man der Landessprache der Musiker mächtig ist. Das ungarische Wort „majdnem“ bedeutet „fast“.
Dass eine Tribut-Band ihr Schaffen auf CD fasst, ist wohl eher die Ausnahme. Dass die Jungs aus Ungarn stammen, macht es noch ein wenig ungewöhnlicher. Aber offenbar haben sich IRON MAIDNEM in der Heimat bereits einen entsprechenden Status erspielt. Nun schwappt das Werk „10 Wasted Years“ über die osteuropäischen Grenzen und landet auch in unseren Gefilden.
Ich kann nur ahnen, dass der Albumtitel auf ein 10-jährige Bühnenjubiläum anspielt, denn die Band selbst existiert seit 1996. So, jetzt werfe ich das Ding mal in den CD-Player und lausche, wie die Magyaren ihren Vorbildern nacheifern.
Technisch machen die Ungarn ihre Sache wirklich gut. Sie beherrschen ihr Arbeitsgerät und das lange Zusammenspiel hat ihnen sicherlich auch zu einer gewissen Erfahrung und Professionalität verholfen. Besonders die Gitarristen stechen dabei hervor. Die Unterschiede zu den wahren Maiden fallen mir in zwei Punkten auf. Erstens der Bass: zwar bemüht sich Krisztián Balogh redlich Steve Harris nachzueifern, doch dessen Spiel ist einfach unvergleichbar. Beim Original ist der Viersaiter einfach noch prägnanter und präsenter. Und dann natürlich der Gesang: zwar hat Zoltán Kiss eine eindrucksvolle Stimme mittlerer Lage, doch reicht er an Ausdruckskraft und Lungenvolumen nicht ganz an Bruce Dickinson heran. Auch fehlt ein bisschen die Rauheit des Timbre.
Aber was soll´s, wir haben hier schließlich nicht Iron Maiden, sondern IRON MAIDNEM vor uns, und 100%iges Kopieren funktioniert wohl nie. Die Ungarn fassen die Konstrukte der Songs gut auf und verpassen ihnen manchmal sogar noch eine eigene Note, wie es mir bei Arrangements von „Seventh Son Of A Seventh Son“ oder auch „Rime Of The Ancient Mariner“ auffiel. Andere sind wiederum recht nahe am Original.
Interessant ist auch die Songauswahl. Unter den zwölf Tracks, die IRON MAIDNEM auf „10 Wasted Years“ gebannt haben, sind viele Stücke, die bei Maiden nicht unbedingt zur ersten Garde gehören und die man nicht zwangsläufig auf einem Konzert präsentiert bekommt. Ich frage mich, was wohl der Grund dafür ist. Scheuen die Ungarn den Vergleich bei den wirklich großen Hits? Oder nehmen sie sich einfach ihre ureigenen Favoriten der eisernen Jungfrauen vor? Ich denke aber eher, zweiteres trifft zu. Denn ich bezweifle nicht, dass sich MAIDNEM auch mit Titeln wie „Number Of The Beast“ oder „Running Free“ erfolgreich schlagen würden.
Mit „Rime Of The Ancient Mariner“ und „Run To The Hills“ sind ja schließlich doch noch zwei der erfolgreichsten Maiden-Nummern vertreten. Und diese meistert das sextett auch. Besonders bei „Run To The Hills“ hatte ich ein bisschen daran gezweifelt. Doch hier laufen die Ungarn zur Bestform auf. Dennoch sollte man auch die anderen Stücke nicht zu sehr in den Hintergrund rücken. Vielleicht machen sogar die Tracks aus der „2. Reihe“ den Reiz dieses Albums aus. Denn ich muss gestehen, Songs wie „Back In The Village“, „Infinite Dreams“ oder „Sea Of Madness“ hatte ich schon lange nicht mehr solche Beachtung geschenkt.
IRON MAIDNEM sind eine richtig gute Maiden-Tribut-Band. Möglicherweise gehören sie zu den Besten dieses Schlages, denn Maiden derart originalnah zu covern ist alles andere als einfach. Die Produktion der Scheibe hätte aber ein klein wenig mehr Power vertragen können. Ansonsten servieren uns hier sechs gestandene ungarische Musiker eine reife Leistung. Ich könnte mir vorstellen, dass die auch live genial mitreißen können, und eine Maiden-ähnliche Show – inklusive Eddie-Ersatz – ziehen sie wohl auch ab. Ob man dieses Tribut-Album braucht, muss natürlich jeder für sich entscheiden. Das Anhören von „10 Wasted Years“ hat mir aber Spaß gemacht und wird auch sicherlich weitere Metal-Fans begeistern. Und mit einer Spieldauer von satten 78 Minuten ist der Genuss auch nicht so schnell vorbei.
Keine Wertung
Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info