Auch wenn man in Erdkunde aufgepasst hat, muss man nicht gezwungenermaßen wissen: Bei Islay handelt es sich um eine der Inseln der Inneren Hebriden vor der Nordwestküste Schottlands. Eine wichtige Einnahmequelle der Insel bildet die Produktion von Whisky – so wichtig, dass Islay als eigene Whiskyregion gilt und weder zu den Islands noch zu den Highlands gezählt wird. Ganze acht Brennereien gehen auf der kleinen Insel ihrem Geschäft nach. Doch was hat das nun mit Musik zu tun?
Ganz woanders, im deutschen Emsland nämlich, hat sich im Spätjahr 2009 eine Band gegründet, die sich just denselben Namen wie das schottische Eiland verpasst hat. Zufall? Weit gefehlt! Denn ISLAY bieten auf ihrem nun vorliegenden, selbstbetitelten Debütalbum 13 Songs, die alle nach einer bestimmten Whiskysorte benannt sind und dementsprechend auch durch die Bank mit einer individuellen Note aus den Boxen tönen.
Wer nun heiter-doofen Party-Metal im Stile von Alestorm oder folkige Dudelsack-Vergewaltigungen befürchtet, kann schon mal erleichtert aufatmen, denn ISLAY machen mit ihrem Erstsilberling ein ganz anderes Fass auf: Die fünf Jungs zocken Death Metal erster Güte, und das auf einem Niveau, das professionellen Krachmachern mit Label im Rücken in absolut nichts nachsteht. Dabei haben sie dem klassischen Todesstahl-Sound mit einigen modernen Elementen eine Frischzellenkur verpasst, ohne sich an den Zeitgeist anzubiedern.Hier und da auch lassen sie auch Thrash- und Black-Metal-Trademarks einfließen, was etwa im Gesang, Riffing und der Rhythmik deutlich wird. Aber schauen wir uns das Ganze mal näher an.
Schon im Opener „Laphroaig“ steigern sich ISLAY in einer guten halben Minute vom verträumten Akustik-Gitarren-Intro zu vernichtenden Blastbeats – ein Wechselspiel, das die Band später in der Songmitte bei einem Full-Break mit Synthies und erhabenen Melodien wieder aufgreift. Die hymnischen Twin-Leads und die tiefen, mächtigen Growls lassen sofort an Amon Amarth denken, letztere alternieren allerdings auch mit Keifgesang, der zusammen mit einigen frostigen Riffs für schwarzmetallische Stimmung sorgt. Für einen Kerl, der sich als Künstlernamen Chicken ausgesucht hat, verfügt der Herr am Mikro definitiv über ein beeindruckendes und vielseitiges Organ.
Nachdem die Abrissbirne „Dalwhinnie“ mit sägenden Riffs und stürmischen Blasts alles niedergewalzt hat, überrascht „Glenkinchie“ mit Elektro-Begleitung und weiteren Keyboard-Spielereien, büßt dabei aber nichts von seiner Brutalität ein und besticht durch einen fast schon überladenen Wall-of-Sound-Refrain. Längst ist an dieser Stelle klar, dass es sich bei ISLAY ausnahmslos um Spitzenmusiker handelt, die nicht nur großartig spielen können, sondern auch ein Händchen fürs Songwriting haben.
„Oban“ im Folgenden hat durch das Riffing einen leichten Industrial-Anstrich, während „Glenfiddich“ und „Lagavulin“ als einzige Songs durch folkloristische Melodien Feierlaune versprühen – und was hört man da? Letzteres Lied wartet ebenso wie „Jura“ mit zumindest teilweise deutschen Lyrics auf. Im Göteborger-Schule-Track „Bowmore“ manifestiert sich ein weiteres Mal die Alternation von Growls und Screams als Band-Trademark, während „Bruichladdich“ Richtung Hypocrisy schielt und sogar ein paar Gang-Shouts innehat.
Im Grunde könnte man zu jedem Lied auf der Platte einen eigenen Absatz schreiben, denn ISLAY schaffen es, im Rahmen ihres eigenen Stils für viel Variabilität zu sorgen. Lediglich bei der vorletzten Nummer „Cragganmore“ hat man ein wenig das Gefühl, bereits Gehörtes wiedergekäut zu bekommen, wird dann aber von der gelungenen Ballade „Octomore“, die als alleiniger Track mit Klargesang dargeboten wird, entschädigt.
Ein durchweg hohes Niveau also, das ISLAY auf ihrer Debütscheibe vorlegen, sowohl instrumental als auch produktionstechnisch. Abgesehen von ein paar zu vernachlässigenden Schwächen wissen die fünf Emsländer von Anfang bis Ende mit ihrer Musik zu überzeugen, scheuen nicht das Experiment, lehnen sich aber auch nicht zu weit aus dem Fenster. Dadurch sprechen ISLAY nicht nur den klassischen Death-Metaller an, sondern dürften vom Amon-Amarth- über den Fear-Factory- bis hin zum Enslaved-Anhänger viele neue Fürsprecher im gesamten Extrem-Metal-Bereich finden. Auf jeden Fall anchecken!
Wertung: 8.5 / 10