Unglaublich aber wahr, zwischen dem vorigen JAUGERNAUT-Album „Take ‚em There“ und dem aktuellen „Contra-Mantra“ lagen sage und schreibe 23 Jahre. Die Veröffentlichung über ein Label nahm sogar noch einmal drei weitere Jahre in Anspruch, so dass das Scheibchen erst jetzt, 26 Jahre nach seinem Vorgänger, die Regale entert. Eigentlich hatte die 1978 gegründete Band sich ja auch schon zur ewigen Ruhe gebettet, aber das Schicksal wollte es so, dass gegen Ende des vorigen Jahrtausends ein Fan Bandkopf Jim Johnston auf die alten Alben ansprach und dieser daraufhin bemerkte, dass die bei eBay für mehr als 150$ weggingen. Also dachte er sich, gibt es bestimmt noch Leute da draußen, die Interesse an JAUGERNAUTs Musik hätten.
Ich gehörte nicht dazu. Der letzte Versuch wieder in die Welt der progressiven Musik abzutauchen endete mit Odin’s Court und das war eine mehr oder weniger galante Bauchlandung. Also war ich nicht so sonderlich begeistert von der Idee, gleich noch eine Progrock Band unter die Lupe zu nehmen und schob das so lang wie möglich vor mir her, aber irgendwann muss ein Mann einfach tun, was ein Mann tun muss und so ließ ich die Scheibe, die bereits 2005 in Eigenregie von der Band vermarktet wurde, schlussendlich im Player rotieren. Ich muss ehrlich sagen, ich war überrascht.
Nicht vom Anfang des Openers „Anthem“, denn die ersten vier Minuten des handlichen Zwölfminüters summieren ziemlich gut alle Dinge, die mir am Progrock auf die Nerven fallen. Gar funkige Melodieführung, ewiges Sologewichse, Keyboardeinschübe die so klingen, als hätte irgend jemand eine Katze ganz und gar nicht gern… Der Anfang des Songs ist ein wahrer Graus. Und dann, urplötzlich, als hätte irgend jemand einen Schalter umgelegt, ändert sich das schlagartig. Zu melancholischem Akustikgitarrengeklimper gesellt sich Johnstons sehr angenehme Stimme und gemeinsam schaffen diese beiden Dinge es irgendwie, mich wieder aus der Traumwelt zu holen. Wirklich gut finde ich den Kram zwar immer noch nicht, aber die Band steigert sich immerhin.
Erst als die ersten Töne des zweiten Tracks „The Damage is Done“ erklingen bin ich überzeugt von der Musik. Denn wirklich progressiv kochen JAUGERNAUT hier kaum noch, das ganze klingt eher nach sehr entspanntem Rock mit netter Wohlfühl-Stimmung und tollen Mitsing-Refrains. JAUGERNAUT haben keine Angst ein und dasselbe Riff auch mal länger als zwei Takte zu spielen und liefern trotz epischer Songlängen etwas wirklich kurzweiliges ab. Auch das folgende „Better Living Thru Anarchy“ schlägt in diese Kerbe, die beiden Songs geben wundervolle Musik für einen ruhigen Sommernachmittag, zum Autofahren oder – wie es bei mir der Fall war – zum Kuchen backen ab, das macht einfach verdammt viel Spaß, jawoll!
Dummerweise ist es nicht so, wie man jetzt vermuten könnte, dass JAUGERNAUT mit dem Anfang der CD erst mal den Prog-Fans was vor die Nase halten wollen, was denen gefällt, und dann gnadenlos ihr eigenes Ding drehen. Viel mehr vermittelt die CD den Eindruck, dass die Amerikaner nach den ersten vier Minuten irgendwie kurzzeitig vergessen hatten, dass sie ja eigentlich eine progressive Band sind. Bei „The Hard Way“ erinnern sie sich auf schmerzhafteste Art und Weise wieder daran und sperren die soeben Entdeckte tolle Stimmung gnadenlos in den Keller. Hier wird jetzt wieder echt anspruchsvolle Musik gespielt, die leider einfach nur langweilt.
Der Rest des Albums ist dann eine sehr durchwachsene Angelegenheit, denn immer wieder kommt die liebe nette Stimmung wieder kurz aus dem Keller, wird aber leider schnell wieder von Mister Anspruch und Professor Langeweile abgepasst und zurückgeschickt. Diese Zerfahrenheit des Materials zerrt auf Dauer gewaltig an den Nerven, denn immer wenn man gerade wieder drin ist, in der tollen Atmosphäre, kommt irgend ein nerviger Part um die Ecke und holt einen schmerzhafterweise in die Realität zurück. So bleibt „Contra-Mantra“ ein absolut konfuses Album, das selbst nicht weiß, wo es eigentlich lang gehen soll und sich über weite Strecken in seiner eigenen Unentschlossenheit verrennt. So weiß ich selbst nicht genau, wem ich den Kram eigentlich empfehlen soll, Songs wie „The Damage is Done“ oder das flotte „Vanity“ (das einen absolut coolen Refrain hat) machen einfach Laune und haben es verdient ihre Zielgruppe zu finden. Aber wie die aussieht – keine Ahnung.
Wertung: 6 / 10