Review Juliette Lewis – Terra Icognita

  • Label: Roadrunner
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Rock

JULIETTE LEWIS mag der ein oder andere noch aus ihren zahlreichen Filmen kennen. Entweder als junge Danielle Bowden in Martin Scorseses Kap der Angst, als naive Adele in Kalifornia oder auch als Kate Fuller in Robert Rodriguez‘ Roadmovie-Vampir-Mashup From Dusk Til Dawn. Schon in Natural Born Killers und Strange Days sang sie jeweils ein Lied selbst und mischte auch noch ein wenig bei The Prodigy mit, während sie gleichzeitig 2003 die „Juliette and the Licks“ aus der Traufe hob. Dass JULIETTE LEWIS keine Schauspielerin ist, die sich wie so viele auch mal ein wenig an der Musik probieren möchte, sondern das Ganze gebührend ernst nimmt, zeigt schon die Tatsache, dass bis 2006 unter dem Banner der Licks ganze drei Alben erschienen sind. Und auch die Live-Auftritte der Frau in ultra-knapper Bekleidung, maximalem Körpereinsatz und einem Organ wie zehn Rockerbanden sprechen ihre eigene Sprache.

Mit den Licks ist es nun vorbei und stattdessen erscheint „Terra Incognita“ bei Roadrunner unter dem Label JULIETTE LEWIS. Fokus auf die Sängern, ist sie nun doch dem Egozentrismus erlegen oder war die Band schon immer unwichtig? Unwichtig waren die Licks wohl nicht und dennoch hinter der charismatischen Frontsau Lewis immer etwas im Hintergrund. Die neue Band heißt nun „The New Romantiques“ und kommt nicht mehr im offiziellen Namen vor, wahrscheinlich, weil sie noch weiter in den Hintergrund tritt. „Terra Incognita“ ist kein Album einer Band, sondern das einer Person. Es ist ein JULIETTE LEWIS Album. Es ist anders, oft ruhiger und bestimmt persönlicher als „You’re Speaking My Language“ oder „Four On The Flour“. So klingt denn auch das exakt 60 sekündige Intro mit eher verhal(l)tenem Gesang ein wenig wie Abschied.

Ein Gefühl, das sich im folgenden Song „Romeo“ wiederholt, bis er plötzlich vollkommen kontrolliert explodiert und Frau Lewis sich mit ihrer unverwechselbaren Stimme über einem verwinkelten Soundnetz entlädt. Dass beim musikalischen Teil der von „The Mars Volta“ bekannte Klangtüftler Omar Rodriguez-Lopez seine Finger im Spiel hatte, hört man jeder einzelnen Note des gesamten Albums an. Die musikalische Veränderung scheint nötig gewesen sein, um JULIETTE LEWIS mit ihrer sowieso schon sehr strapazier- und wandlungsfähigen Stimme den Ausbruch aus dem Schwanzrock in neue Gefilde zu ermöglichen. Der raue Charme eines Organs, das ein verblüfftes Publikum gnadenlos zusammenzubrüllen vermag, lugt hinter vielen Ecken hervor, lässt aber Spielraum für fast schon Gehauchtes in „Ghosts“, das sich in die leicht düstere Musik mit Rassel und Waschbrett perfekt einfügt und eine wunderbare Atmosphäre erzeugt.

Neben solcherlei auf ganzer Linie gelungene Experiment gesellen sich klare Rocknummern wie „Fantasy Bar“ und der Titelsong, die im Kontext des Albums einfach-gestrickt erscheinen, aber an Qualität nicht nachstehen, sondern dem bekannten Rocksound der Lewis noch Aspekte hinzufügen. Auch ein kleiner Ausflug in die poppigere Ecke darf mit „Uh Huh“ nicht fehlen. Etwas irritierend wirkt „Hard Lovin‘ Woman“, das nicht recht zu den umgebenden Liedern passen mag und fast fünf Minuten lang mit nicht mehr als einer dreckigen Blues-Gitarre und dem Whiskey-schwangeren Organ der Fronterin auskommt. Gar nicht schlecht, aber an dieser Position der Tracklist und in dieser Länge auf Dauer auch mal ein Kandidat zum Überspringen. Als Rausschmeißer hätte sich der Song wesentlich besser gemacht. Denn gerade ob der komplexen Arrangements als auch wegen des vielfältigen Stimmeinsatzes von JULIETTE LEWIS muss „Terra Incognita“ oft gehört werden, um sich voll zu entfalten. Dann zeigt sich auch das Ende des Longplayers von „Female Persecution“ bis zu den „Suicide Dive Bombers“ als sehr ergiebige Quelle schöner Musik.

Wertung: 8.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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