Review La Dispute – Panorama

LA DISPUTE haben nicht zuletzt durch die ausgesprochen substanziellen Lyrics und charakteristischen Vocals von Frontmann Jordan Dreyer seit jeher eine Ausnahmestellung in der Post-Hardcore-Szene inne: Beeinflusst von Bands wie Refused oder At The Drive-In, aber auch von Jazz, Blues oder Post-Rock ist die Truppe aus Grand Rapids (Michigan, USA) allerdings auch immer für die eine oder andere musikalische Überraschung gut gewesen. „Panorama“ ist das vierte und das erste auf dem legendären Punklabel Epitaph Records erschienene Album des Quintetts – die Erwartungshaltung ist also hoch, zumal die Platte Bestandteil eines Multimediakonzepts ist, welches in Verbindung mit einem Computerspiel die Texte und Musik von LA DISPUTEs neuestem Output in einer virtuellen Fantasy-Welt audiovisuell erlebbar machen möchte.

Im Großen und Ganzen bleiben LA DISPUTE ihrem bewährten Konzept treu, entwickeln es sogar weiter: Viel Text und Sprechgesang, abwechslungsreiche Arrangements mit schönen Steigerungen, aber keine wirklichen Ausbrüche – was ein bisschen schade ist, da so der eine oder andere Höhepunkt, auf den die Band hinarbeitet, ausbleibt. Dafür wirkt „Panorama“ musikalisch ausgesprochen geschlossen und bietet in der Gesamtheit eine hohe emotionale Intensität. Man hat das Gefühl, dass die Post-Rock-Elemente weiter in den Vordergrund gerückt sind, während punkige Strukturen die Ausnahme bleiben. Entsprechend den Vorbildern von Refused kommen auch auf „Panorama“ Instrumente wie Trompete, Piano und Synthesizer zum Einsatz, was die dem gesamten Album zugrundeliegende Atmosphäre und Homogenität weiter verstärkt.

So fällt es schwer, einzelne Titel hervorzuheben, was aber nicht bedeuten soll, dass die Kompostitionen von LA DISPUTE in irgendeiner Form beliebig oder austauschbar sind: Man sollte sich einfach die Zeit nehmen und „Panorama“ in seiner Gänze hören, obwohl mit dem zweigeteilten „Fulton Street“ wirkliche Highlights, mit dem ruhigen „Rhodonite And Grief“ oder auch „Footsteps At The Pond“ aber auch Songs mit Singlecharakter vorhanden sind. Dass die beteiligten Musiker ausgesprochen versiert sind und wissen, was sie tun, ist in Anbetracht der durchaus vorhandenen musikalischen Komplexität und Bandbreite von Post-Rock über Indie bis hin zu progressiven Strukturen nicht unwichtig.

Im Gegensatz zu „Wildlife“ handelt es sich bei den poetischen, fast gerappten Texten von Dreyer wieder um sehr persönliche Momentaufnahmen. Der inhaltliche rote Faden ist das Thema „Verlust“ und selten wurden Texte im Hardcore (der Begriff „Emocore“ ist sicherlich auch zulässig) derart ansprechend präsentiert – genau Zuhören lohnt sich also. Über weite Strecken mutet LA DISPUTEs neues Album wie ein Poetry Slam an. Kaum verwunderlich, denn Dreyer sieht sich nicht unbedingt als Sänger, sondern eher als Schriftsteller oder Erzähler und erinnert so in seiner Performance gelegentlich auch ein wenig an die Hardcore-Legende Henry Rollins.

„Panorama“ zeugt durchaus von einer musikalischen Weiterentwicklung – die aber vielleicht nicht jedermann schmecken wird, denn die Hardcore-Einflüsse wurden zugunsten zugänglicherer und melodischerer Elemente weiter reduziert, die hochemotionalen Vocals stehen nach wie vor im Fokus (auch wenn die Musik inzwischen ein gleichberechtigter, wenn auch etwas zurückhaltender Partner geworden ist). Dazu passt auch die dynamische, nicht übermäßig fette Produktion. Alles wirkt wie aus einem Guß und fließt wie ein akustischer Film organisch ineinander über – aber mit Post-Hardcore à la Converge haben LA DISPUTE musikalisch kaum noch etwas zu tun. Dafür ist  „Panorama“ eine äußerst eigenständige Platte mit hohem Wiedererkennungswert und einer ausgesprochen intensiven Atmosphäre geworden – und somit die Auseinandersetzung auf jeden Fall wert.

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Wertung: 7.5 / 10

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