Review Leucosis – Liminal

  • Label: Sentient Ruin
  • Veröffentlicht: 2017
  • Spielart: Black Metal

Wenn sich eine Band nach einer Erkrankung der weißen Blutkörperchen benennt und ihr drittes Album dann auch noch den Titel „Liminal“ – zu Deutsch „kaum erkennbar“ – trägt, erweckt das den Eindruck, dass die Musik ebenjener Band von eher unscheinbarer, aber vielleicht auch unterschwellig bedrohlicher Natur sein muss. Tatsächlich handelt es sich bei LEUCOSIS jedoch um eine zweiköpfige Atmospheric-Black-Metal-Band, deren Songs eindeutig nicht zur seichten Hintergrundbeschallung geeignet sind. Nach zwei Full-Length-Platten, die ihrer Kategorisierung in puncto Laufzeit mehr als gerecht wurden, schaffen es die immer noch recht ausladend gestalteten Tracks auf „Liminal“ zusammen lediglich auf eine halbe Stunde. Doch LEUCOSIS machen das Beste aus diesem zeitlichen Rahmen.

Während andere Akteure dieser Stilrichtung oft vergeblich versuchen, die Hörerschaft mit übertrieben ausufernden Veröffentlichungen in ihren Bann zu ziehen, reüssieren LEUCOSIS in diesem Vorhaben, obwohl ihre Songs auch schon mal die Zehn-Minuten-Marke erreichen. Das liegt nicht nur an ihren in sich stimmigen Kompositionen, sondern schlichtweg daran, dass die Amerikaner offenbar immer rechtzeitig erkennen, wann es genug ist. Auf „Liminal“ wird kein Melodiebogen zu lange überstrapaziert, kein Rhythmus zu sehr in die Länge gezogen und kein Stilmittel an der falschen Stelle platziert.

Dabei grenzen LEUCOSIS ihre verschiedenen Einflüsse sogar recht scharf voneinander ab. Grob gesagt besteht die Platte aus drei ausgedehnten, ungehemmten Schwarzmetall-Nummern und zwei namenlosen, bedrückenden Interludes, in denen verhallte Clean-Gitarren und Samples zum Einsatz kommen. Der natürliche Fluss, der gerade bei derart stimmungsvoller Musik von großer Wichtigkeit ist, wird durch die Zwischenspiele jedoch nicht unterbrochen, sondern profitiert sogar davon.

Eine Erklärung dafür ist, dass LEUCOSIS auch in den stürmenden Black-Metal-Abschnitten stets auf die Dynamik achten und immer wieder Details einführen, die die triste, leicht mystische, aber auch urgewaltige Atmosphäre des Artworks untermalt („Manifest“). Die trübsinnigen, finsteren und oft sehr melodischen, aber nie zu aufdringlichen Leadgitarren verschmelzen so mit dem tosenden Blasting und den im Mix (zum Glück nicht zu tief) begrabenen Screams zu einem stilbewussten Ganzen. Sogar die Produktion ist frei von Makel: Perfekt ausbalanciert, besitzt „Liminal“ einen gleichermaßen rauen und klaren Sound, der die Songs von LEUCOSIS in all ihrer pechschwarzen Pracht erstrahlen lässt.

Wenngleich „Liminal“ ein recht kurzes Vergnügen ist, dauert es lang, bis man sich daran sattgehört hat. Die einzelnen Tracks sind nämlich nicht allzu eingängig, was in diesem Kontext jedoch von Vorteil ist, da man sich so immer wieder von neuem damit auseinandersetzen kann, ohne sich unterfordert zu fühlen. Andererseits versehen LEUCOSIS ihre Klangkreationen mit zahlreichen passenden Einzelheiten, die ihnen noch mehr Tiefe verleihen und die erzeugte Stimmung noch weiter verdichten. Man kann das Drittwerk der Amerikaner also gut und gerne als Geheimtipp bezeichnen, denn eine so allumfassend gelungene und packende Platte wie diese trifft man im Atmospheric-Black-Metal-Underground nicht jeden Tag an.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert