Review Marteria – Roswell

Der (erneute) Boom von Hip-Hop in Deutschland hat sich in den letzten Jahren in unglaubliche Sphären empor geschraubt. Die deutschsprachige Welle geht auf zwei Künstler und zwei Alben zurück: Casper und sein Durchbruchalbum „XOXO“ sowie „Zum Glück in die Zukunft“ von MARTERIA. Mit Songs wie „Lila Wolken“ und „Kids (2 Finger an den Kopf)“ katapultierte sich der sympathische Rostocker danach noch weiter nach oben, überließ dann allerdings erst einmal seinem Alter Ego Marsimoto das Rampenlicht. Mit „Roswell“ ist Marten Larciny nun aber mit einem neuen MARTERIA-Album zurück.

Der wuchtige Opener „Roswell“ geht mit fetten Beats, bassigen elektronischen Sounds und MARTERIAs tiefer, flowender Stimme direkt nach vorne. Die Vorab-Single „Aliens“ schließt nahtlos an und wird im Refrain von Beatsteaks Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß a.k.a. Teutilla veredelt. An dieser Nummer sowie an der zweiten Single „Das Geld muss weg“ zeigt sich, dass MARTERIA nach wie vor weiß, wie man großartige Songs schreibt – im Gegensatz zu früher stellt er allerdings eingängige Hooks zugunsten stimmigen Songwritings zurück. Poppige Stücke wie „Scotty beam mich hoch“ treffen auf nachdenkliche, düstere Nummern wie „Blue Marlin“ oder „Skyline mit zwei Türmen“.

Leider finden sich neben diesen Highlights in beiden Richtungen auf „Roswell“ auch halbgare Stücke wieder. „Tauchstation“, auf dem sich MARTERIA inhaltlich mit seinem Nierenversagen und der Abkehr vom wilden Partyleben auseinandersetzt, gerät musikalisch absolut austauschbar. Das rockige „Links“ ist zwar gut gemeint, musikalisch allerdings Standardware und textlich schon fast naiv vereinfachend, während sich „Cadillac“ stark an Macklemore & Ryan Lewis anlehnt, vom nichtssagenden Text allerdings fast verschluckt wird.

Das ist schade, da die Beats der Krauts über weite Strecken packen und eine Symbiose mit MARTERIAs ausgefeilten, ehrlichen Texten eingehen. Die persönlichen Geschichten im (musikalisch vermutlich schwächsten „Roswell“-Song) „Große Brüder“, dem genannten „Tauchstation“ oder „Skyline mit zwei Türmen“ sind großes Storytelling, und die subtilen politischen Anspielungen in „Aliens“ oder „Blue Marlin“ fügen sich perfekt in die Lieder ein. Schließlich muss „Elfenbein“ hervorgehoben werden, da es die politische Ebene am überzeugendsten mit einem poppigen, nachdenklichen Beat und orientalischen Anleihen verbindet.

„Roswell“ ist ohne Frage ein sehr gutes Album, musikalisch stringent und deckt eine große thematische Bandbreite ab. Im Vergleich zu seinen umwerfenden Livequalitäten wirkt es allerdings so, als hätte sich MARTERIA hinsichtlich der Produktion zurückgehalten. Die poppige, dennoch stellenweise sperrige Ausrichtung entspricht dieser Unschlüssigkeit, die sich paradoxerweise in einer stimmigen Atmosphäre darstellt. Über weite Strecken kann man dieses Problem auf „Roswell“ allerdings aufgrund der Highlights verdrängen.

Wertung: 7 / 10

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