Review Martin Briley – It Comes In Waves

  • Label: MTM
  • Veröffentlicht: 2006
  • Spielart: Hard Rock

Sagt mal, kennt ihr diesen Verpackungsaufdruck: “Das Produkt kann Spuren von Nüssen enthalten”? Kommt einem ja auf so mancher Cornflakes- oder Müslipackung entgegen. Ganz ähnliche Erlebnisse hatte ich beim ersten Durchlauf der neuen Scheibe von MARTIN BRILEY, die auf den Namen „It Comes In Waves“ hört. Nur das hier die Feststellung: „Das Produkt kann Spuren von Rock enthalten“ heißen muss. Doch wir wollen nicht gleich alles schlecht machen, was dem Modell einer Metal-Seite nach zu wenig Gitarren benutzt und auch überhaupt mal erklären, wer MARTIN BRILEY überhaupt ist.

Ende der 60er trat Martin das erste Mal auf die musikalische Bildfläche, mit seiner Band Mandrake Paddlesteamer, Mitte der 70er Jahre war er für zwei Jahre Gitarrist der durchaus namhaften Progband Greenslade, bevor er nach der Auflösung der Band seine Berufung als Session-Musiker suchte. In den 80er und 90er Jahren arbeitete er als Musiker und Songwriter für Stars wie Celine Dion, Michael Bolton, Pat Benatar, Bonnie Tyler, *NSYNC, Meat Loaf und Tom Jones. In den 80ern erschienen auch drei Soloalben, „Fear Of The Unknown“ (1981), „One Night With A Stranger“ (1983) und „Dangerous Moments“ (1985), die allesamt nur wenig erfolgreich waren, sieht man von „The Salt In My Tears“ aus seinem zweiten Album ab, das ein Charthit wurde und in die TOP 40 einstieg.

Soweit zur Geschichte. Aus igendeinem, mir nicht weiter erkenntlichen Grund, scheinen ja alte One Hit-Wonder manchmal ein neues Album machen zu wollen. „It Comes In Waves“ markiert diesen Versuch, ganze 21 Jahre nach dem letzten Werk Brileys unter seinem eigenen Namen. Was von der Plattenfirma groß als Melodic Rock angepriesen wird, ist in Wirklichkeit aber etwas ganz anderes. Nach einem Blick auf die Liste seiner Musikerkollegen dürfte es keine allzu große Überraschung sein, dass MARTIN BRILEY alles andere als rockig auf seinem neuen Album zu Werke geht. Vielmehr finden wir elf Mal äußerst seichte, leichtfüßige Singer-Songwriter-Musik vor, bis zur letzten Note klassisch, poplastig, irgendwie auch ein wenig altbacken. Leute wie Briley können eben nur schwer von den 80ern lassen, und zudem kapieren sie auch in ihrem hohen, lebensweisen Alter immer noch nicht, dass sie ihre Jugendliebe doch nicht mehr heiraten werden. So jedenfalls könnte man urteilen, wenn man die Lyrics zu den elf Tracks der Platte hört. Liebe hier, Sehnsucht da, seichte Erotik um jede Ecke – eben die typische, stehts oberflächliche Klischeekiste, die nie ganz zugemacht werden kann. Kitsch und Harmonie durchziehen das ganze Scheibchen. Dennoch muss man dem Herren attestieren, dass er sein Handwerk beherrscht. Es würde mich freuen, heute mal ab und zu solche Musik im Radio zu hören. Zumindest ist das hier nämlich noch ein persönliches, echtes Musikprodukt.

Songs wie „Me And My Invisible Friend“ oder „Church Of Disney“ (welch ein grausiger Titel!) sind die zaghaften Versuche in Richtung „Gute Laune“-Mucke, die nur wenig überzeugend sind. Der Großteil der Song bewegt sich aber im Balladenbereich, wirkt wie schon tausendmal gehört, ist wenig mitreißend, für „Rocker“ schlicht zu lahm. Dennoch offiert uns „It Comes In Waves“ ein paar tolle Melodien, z.B. im gelungenen, etwas zu langen Opener und Titeltrack, oder in den wirklich fantastischen „In The Dim Of A Brand New Day“, „Invisible“ und „Pray For Rain“.

Wie heißt es doch so schön? Jedes Album ist so gut, wie der Moment, in dem es gehört wird. Als Hauptbeschäftigung ist das hier sicher nichts, doch es gibt ja auch Momente im Leben, in denen Musik eine eher begleitende Rolle spielt. Bei einem gemütlichen Abendessen, zum Autofahren, fürs Lernen oder auch zum sanften Einschlummern ist das hier völlig zufriedenstellende, passende, hinreißende Musik. Technisch gibt’s ja auch nicht viel zu bemängeln: MARTIN BRILEY hat eine tolle, warme Stimme, die Produktion und das Artwork der Scheibe sind gelungen, die Instrumentation ist durch und durch stilvoll gewählt, auch wenn nicht wirklich viel passiert. Auf Pop-Drums aus der Dose muss sich der Hörer ebenso einstellen, wie auf fehlende Gitarren und sehr kurze Tracks im fast durchgehend „3-Minuten-Bereich“.

Das mag jetzt alles vernichtend klingen, und in der Tat wird „It Comes In Waves“ meinen CD-Player nicht allzu oft bevölkern. Dennoch, es gibt Tage, da braucht man genau solche Musik; Tage, zu denen einen die freundlichen, einladenden Töne von „Invisible“ zeigen, dass die Welt eigentlich doch ganz in Ordnung ist, dass alles den richtigen Weg gehen wird. Tage, in denen man Hoffnung und Halt sucht, nicht nur beim besten Freund, sondern auch in einem Song, der die Gefühlslage wiederspiegelt. Sei es Freude, Liebe, Sehnsucht – egal: Martin hat für euch alle etwas.

Ich weiß, dass es Menschen gibt, die diese Musik lieben werden. Für „echte Rocker“ ist das hier allerdings nichts. Wobei es natürlich sein könnte, dass mir der Aufkleber mit der Aufschrift „Please note that this version is for promotional use only and does not feature the final mastering and correct pauses between the individual tracks“ nur sagen will, dass die Gitarren noch später hinzugefügt werden. Nett!

Wertung: 5.5 / 10

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