Review Ministry – Last Tangle In Paris (Live 2012)

So lasst uns noch einmal vereint // Die vollen Gläser schwingen; // Der Abschied werde nicht geweint, // Den Abschied sollt ihr singen.“ schrieb der deutsche Dichter August von Platen dereinst in seinem „Trinklied“. Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, Industrial-Koryphäe Al Jourgensen hätte diesen Satz zu seinem Lebensmotto gemacht: Seit nunmehr sieben Jahren besingt dieser nun schon den Abschied seiner Band MINISTRY. Dokumentiert wurde dieser Abgesang auf eine Legende seit „The Last Sucker“ mit zwei weiteren Studioalben sowie zwei Live-DVDs. Eine dritte kommt nun unter dem Titel „Last Tangle In Paris (Live 2012)“ in die Läden.

Die Frage nach dem „warum“ drängt sich förmlich auf: Warum sollte man sich knapp ein Jahr nach dem wirklich gelungenen Packet „Enjoy The Quiet – Live At Wacken 2012“ eine weitere Live-DVD ins Regal stellen – zumal das Opus auch noch ein Konzert aus dem gleichen Tour-Zyklus dokumentiert?

Die Antwort liegt im gänzlich anderen Konzept der DVD: Im Stile von Slipknots legendärer „Disasterpieces“-DVD wird der Konzertmitschnitt hier mehrfach durch (nicht untertitelte) Interviews, Backstage-Aufnahmen und Videos aus dem Proberaum unterbrochen. Von einer Live-DVD kann man bei „Last Tangle In Paris (Live 2012)“ also nicht unbedingt sprechen. Als solche hätte sie auch keine wirkliche Daseinsberechtigung. Zwar ist die Show, die MINISTRY aufs Pariser Parkett legen, durchaus gut, unterscheidet sich hinsichtlich der Bühnenshow aber erwartungsgemäß nicht sonderlich von der bereits erwähnten Wacken-DVD.
Die Bastard-Variante zwischen Road-Movie und Live-DVD birgt jedoch auch seine Tücken: Denn auch wenn die Übergänge gut gesetzt sind und die Live-Abschnitte eine angenehme Länge haben, geht die Live-Atmosphäre durch die Unterbrechungen unweigerlich verloren. Darüber hinaus laden zwischengeschnittene Interview-Passagen nicht unbedingt dazu ein, eine DVD mehrfach oder auch einfach mal nebenbei anzuschauen – zumal die Sequenzen leider nur wenig Wissenswertes offenbaren.

Je nach Präferenz kann auch eine reine Audioversion des Paris-Auftritts erstanden werden: „Last Tangle In Paris (Live 2012)“ erscheint in den Versionen 2CD & DVD Digipack, BluRay & 2 CD Amaray, 2-fach Vinyl Gatefold (160 Gramm) und als einfaches CD-Paket; zudem als Digital Audio und Video. Die Digipack-Version enthält als Bonus zudem als Tour-Retrospektive ein Doppel-Audio-Album mit Live-Aufnahmen, die bis ins Jahr 2006 zurückreichen. Was von alledem man als Fan als für sich relevant einstuft, ist Ansichtssache – wirklich zwingend ist jedoch kein Bestandteil dieser Veröffentlichung; zumindest, wenn man bereits „Enjoy The Quiet – Live At Wacken 2012“ sein Eigen nennt.

Zwei Erkenntnisse lassen sich aus „Last Tangle In Paris (Live 2012)“ ziehen: Zunächst natürlich, dass es in Anbetracht der Musik schade ist, dass diese Band abgetreten ist – aber auch, dass es in Anbetracht der Verfassung, in der sich der mittlerweile im gesamten Gesicht gepiercte und tätowierte Mr. Al Jourgensen bisweilen präsentiert, die einzig richtige Entscheidung wäre, MINISTRY nun endlich ruhen zu lassen. Wäre. Konjunktiv. Denn wer über die letzten Jahre verfolgt hat, wie schwer Jourgensen das Abschiednehmen zu fallen scheint, dürfte berechtigte Zweifel daran hegen, dass „Last Tangle In Paris (Live 2012)“ tatsächlich das letzte Lebenszeichen der Industrial-Legende sein soll. Oder, um noch einmal von Platen zu zitieren: Wir finden uns vielleicht noch oft // vielleicht nicht einmal wieder!

Wertung: 7 / 10

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