Review Moonspell – Night Eternal

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Dieses bekannte Stichwort kann in gewisser Weise auch auf die Portugiesen MOONSPELL bezogen werden. Mit ihrem coolen Wolfheart wurden sie noch in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zu so etwas wie der Einstiegsdroge für gothicwillige Kinder und Jugendliche, eine ähnliche Funktion, wie sie etwa Dimmu Borgir für den Bereich Black Metal übernahmen. Viele Jahre und Alben sind seit dem ins Land gegangen und ohne den Jungs um Fernando Ribeiro ihre Weiterentwicklung jetzt absprechen zu wollen, ein Album wie Wolfheart haben sie nicht mehr zu Stande gebracht. Bis jetzt, denn das neue Output Night Eternal überzeugt auf ganzer Linie.

Schwer zu sagen, ob es an der neuentdeckten oder wiedergefundenen Aggressivität liegt, die sich vor allem in den Vocals und dem mörderischen Sound manifestiert. Fakt ist, dass Ribeiro ein wahnsinniges Volumen in seine Stimme bekommt, die so phantastisch zu dem bombastischen Sound von allen (!) Instrumenten passt. Es ist schon stark, wie Tue Madsen es hinbekommen hat, die Gitarren braten zu lassen, den Keyboards einen mindestens 5 cm dicken Teppich entlockt, das Schlagzeug (vor allem Bass-Drum und Snare) so richtig knallen lässt oder auch dem Bass einen fetten Klang verpasst, dass die Wände wackeln. Mit diesen Voraussetzungen im Rücken kann es ja nicht schwer sein, ein Album der Meisterklasse zu kreieren, oder? Nun ja, diese Rechnung ist vielleicht etwas zu einfach, ein paar vernünftige Songs braucht es da schon, diese schütteln sich die Herren aber nur so der Reihe aus dem Ärmel. Alleine der Opener At Tragic Heights glänzt mit feinfühligen Arrangements und einer enormen Steigerung zum Ende des Liedes hin. Das Riffing, welches die Atmosphäre des Stücks stark beeinflusst, erinnert etwas an die Lieder Alsvatr (The Oath) und Thus Spake The Nightspirit von Emperor, somit hat man einen guten Vergleich, was einen in etwa erwartet. Ohnehin scheint man sich insgesamt ein bisschen am Black Metal orientiert zu haben, schwarze Atmosphäre, wirklich harter Gesang, jede Menge Double-Bass-Parts und flotte Gitarrenläufe lassen erahnen, welcher Musik man in den letzten Jahren fröhnte. Auch lyrisch bedient man sich offensichtlich schwarzmetallischkompatiblen Elementen, auch wenn dieser Umstand bei MOONSPELL ja nicht unbedingt neu ist. Gut, jeder mag davon halten, was er will, die ersten beiden Stücke bedienen sich wenig originell der Johannes-Offenbarung, genauer gesagt wird in Kapitel 16 und 17 abgeschrieben, in dem sieben Engel mit den Schalen des Zorns auftreten. Die thematische Übereinstimmung wird weiter dadurch dokumentiert, dass die ersten beiden Lieder direkt ineinander übergehen.

Trotz aller Lobeshymnen sind diese beide Songs keineswegs zu den absoluten Highlights zu zählen, diese folgen nun und am Ende des Albums. Shadow Sun hat eine insgesamt sehr negative Grundstimmung, was nicht nur anhand der Lyrics abzulesen ist (das Leben ist bedeutungslos), der Refrain dagegen ist extrem mächtig und vor allem aggressiv vorgetragen; Scorpion Flower ist dann wohl das, was man auf diesem Album als Ballade bezeichnen müsste. Natürlich ist dies sehr relativ zu verstehen, der Song knallt immer noch, aber es hat sich eine Gastsängerin eingeschlichen, die dem Song ein fast romantisches Feeling verleiht. Es handelt sich um niemand geringeres als Anneke van Giersbergen von Aqua de Annique, viel bekannter allerdings als langjährige stimmgewaltige Fronterin von The Gathering. Das Duett mit Ribeiro ist jedenfalls ein ziemlicher Ohrwurm und insgesamt sicher der kommerziellste Titel auf der CD. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Scorpion Flower gleich zweimal geremixt wurde, beide Versionen finden sich auf der limitierten Edition (die ebenso eine DVD und einen Sticker enthält). Beide Versionen sind cool geworden und haben sicher jeweils ihre Daseinsberechtigung, ob es aber von einem Lied gleich drei Versionen auf einem Album haben muss, kann zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal intensiver diskutiert werden. Moon In Mercury ist dann eher ein mittelmäßiger Song, was man für Hers Is The Twilight fast auch behaupten kann, da dieser Song die herrliche Aggressivität in weiten Teilen etwas vermissen lässt; lediglich der Refrain dreht etwas auf. Aber ok, auch solche Songs braucht ein Album, Kontraste sind wichtig und wer weiß, wie First Light oder der dritte Bonustrack, Age Of Mothers, in Gesamtkontext klingen würden, wenn es nicht einige Songs auf etwas flacherem Niveau geben würde. Bei den beiden zuletzt angesprochenen Liedern handelt es sich tatsächlich um die besten Songs, so dass es fast schon fahrlässig anmutet, Age Of Mothers lediglich als Bonustrack aufs Album zu packen. Neben Lady van Giersbergen gibt es hier weitere Gaststimmen zu hören, unterstützen doch die Chrystal Mountain Singers, ein Trupp von drei Damen, die Band mit fetten Chorarrangements. Age Of Mothers klingt dabei in etwa wie die norwegische Band Tristania zu ihren seltenen guten Momenten auf dem Album Beyond The Veil. Definitive Anspieltipps!

Diese wunderbare CD wird abgerundet durch ein sehr gelungenes und vor allem düsteres Artwork von Seth Siro Anton. Dieser Mann ist mir bislang gänzlich unbekannt gewesen, dabei sollte seiner Kunst auf jeden Fall Aufmerksamkeit zugestanden werden. Gerade für den Gothic-Bereich scheint er sehr talentiert zu sein. So gibt es also, mit Ausnahme des etwas langweiligen Mittelparts, eigentlich wenig bis gar nichts zu meckern. Fans müssen zugreifen, aber auch bei bislang wenig MOONSPELL-Begeisterten sollte Night Eternal ordentlich einschlagen und die Fanschar vergrößern, wer auf härteren Gothic mit einigen schwarzmetallischen Einschlägen steht, kommt an dieser CD nicht vorbei.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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