Review My Dying Bride – For Lies I Sire

  • Label: Peaceville
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Doom Metal

Nun ist es also endlich soweit, im 20. Jahr ihres Bestehens melden MY DYING BRIDE sich mit ihrem nunmehr zehnten Studioalbum zurück. Vorbei sind die Zeiten, in denen sie zwischen einem Langspieler und dem nächsten gerade mal ein Jahr brauchten und trotzdem hochklassige Qualität ablieferten, ganze drei Jahre dauerte es nach dem großartigen „A Line Of Deathless Kings“, bis sich (abgesehen von der Live-CD/DVD „An Ode To Woe“) ein neues Lebenszeichen der Briten ausmachen ließ, ja, richtig gelesen, „For Lies I Sire“ ist da und schickt sich an, den Pfad, den die Damen und Herren seit nunmehr 19 Jahren beschreiten weiter zu gehen.

Dabei sind vor Allem die Veränderungen im Lineup nicht gar so knapp geraten. Mit Ade Jackson stieg bereits 2007 zwar kein Gründungsmitglied, aber doch ein langjähriger Bestandteil der Band aus, der schon auf dem Debut „As The Flower Withers“ am Bass zu hören war und er machte Platz für Lena Abé, die oft und gern vakante Schlagzeugposition wurde auch neu besetzt, diesmal mit einem wahren Meister seines Faches, nämlich dem guten alten Dan „Storm“ Mullins, den man vielleicht von Bal-Sagoth oder The Axis Of Perdition kennt. Und letzten Endes legte auch Keyboarderin Sarah Stanton – falls mein Gedächtnis mich nicht täuscht – eine Babypause ein und überließ den Platz am Tasteninstrument Katie Stone, die – aufgemerkt – auch noch Geige spielt. Yey, eine Geige. Zum ersten Mal, seit Martin Powell knappe elf Jahre zuvor ausstieg, ist dieses Instrument wieder mit an Bord, das verspricht doch sehr interessant zu werden. Und auch die beiden Songschnipsel von „The Lies I Sire“ und „My Body, A Funeral“, die die Band vorab auf Myspace veröffentlichte, machten Lust auf Mehr.

Ganz besonders Zweiteres hatte es mir angetan und damit legt die Platte dann auch gleich los. Melancholische Akustikgitarren und Aarons einzigartige Stimme und der Mann zeigt sich gleich frischer und besser aufgelegt als je zuvor. Und das, obwohl er letztes Jahr die 40 überschritten hat. Gar nicht übel. Dann setzen die verzerrten Gitarren ein und da ist sie ja auch schon, die Geige. Okay, zugegeben, so lange kenne ich MY DYING BRIDE noch nicht, dass ich nachvollziehen könnte, was ein Fan, der seit „34,788%… Complete“ die Rückkehr der Geige herbeisehnte, bei diesen Klängen empfindet, aber selbst für mich war es schon ein herber Tritt in die Magengrube. Und zwar ein positiv gemeinter. Abseits davon, dass die Geige einfach unglaublich gut zur Musik passt ist es rein nostalgisch betrachtet eine echt coole Sache.

Aber wie gesagt, auch abseits davon kann die Musik der Briten auch im 20. Jahr noch verdammt viel. Das Mitwirken von Dan Mullins macht sich schon ziemlich bald bemerkbar, der Mann ist einfach ein wahnsinnig guter Schlagzeuger und das stellt er auch eindrucksvoll unter Beweiß mit teilweise ziemlich kompliziert getimeten Drum-Parts, ohne jetzt MY DYING BRIDEs vorigen Drummern auf die Füße treten zu wollen: Mullins ist halt einfach viel besser als ihr. Wobei ich auch nach mittlerweile ziemlich vielen Durchläufen einer Sache nicht ganz sicher bin: Passt denn dieses versierte Drumming überhaupt zu MY DYING BRIDE? Vom momentanen Standpunkt gebe ich mal ein ganz klares Jain ab, allgemein macht Mullins seine Sache wirklich gut, hin und wieder wäre etwas weniger wohl etwas mehr gewesen.

Das ist jedoch nicht das einzige, was sich bei den Halifaxern auf ihrem 10. Album geändert hat. Ganz ehrlich, so eine Experimentierfreude, wie sie sie hier an den Tag legen, hatte ich ihnen nicht zugetraut, vor Allem nicht, nachdem „A Line Of Deathless Kings“ so ein starkes Album war. Aber MY DYING BRIDE stehen nicht still. Klar, gespielt wird immer noch die alte Mischung aus manchmal epischem, manchmal Death Metal lastigerem Doom und Gothic Metal, aber es gibt doch ein paar Momente, in denen man verwundert inne hält und sich fragt, ob das denn immer noch die alten MY DYING BRIDE sind. Das ziemlich flotte und so gar nicht doomige „Bring Me Victory“, das gerade mal knappe vier Minuten geht und Aaron von einer ziemlich ungewohnten gesanglichen Seite zeigt (ich weiß gar nicht, wie ich’s beschreiben soll, sehr tief „gestimmter“ Sprechgesang vielleicht), ist da nur die Spitze des Eisberges. Auch das ziemlich Piano-lastige (hatte ich so auch noch nie bei der Band gehört) „Echoes From A Hollow Soul“ weiß zu gefallen, genau wie das morbide „Santuario Di Sangue“, das auch ein paar Ambience-Parts zu bieten hat.

Den Vogel schießt die Band dann aber kurz vor Torschluss mit „A Chapter In Loathing“ ab. Ich weiß nicht, was sie bei dem Song geritten hat, vielleicht war es ein „Ob jetzt wohl alle Zuhörer schon eingeschlafen sind? Dann wecken wir sie doch wieder auf…“ war, oder ob Dan Mullins seine Haupteinflüsse geltend machte, man weiß es nicht. Wie auch immer, erinnert ihr euch noch an das mächtig dreschende Riff, dass auf der vorigen CD ganz am Ende des Rausschmeißers „The Blood, The Wine, The Roses“ um die Ecke bog? Das greifen die Briten hier plötzlich wieder auf, dazu Blastbeats, man wechselt zu heftigem Tremolo-Riffing, dann setzt Aaron ein und kreischt in so einer Tonlage, dass die überzeugtesten Pandabären (die schwarzmetallischen) etwas bleich um die Nase werden dürften (und das mit über 40… eieiei). „A Chapter In Loathing“ könnte (zumindest anfänglich und in den letzten Atemzügen) als echter Black Metal Song durchgehen, gegen Ende werden noch ein paar dissonante Geigen eingeflochten, die zwei Breakdowns wirken etwas befremdlich, aber gut…

MY DYING BRIDE haben halt was neues ausprobiert auf „For Lies I Sire“ und das hat vorzüglich geklappt. Einerseits sind alle alten Trademarks noch vorhanden (inklusive Geige, yoo hoo) und es werden immer noch unheimlich schöne und emotionale Songs dargeboten, auf der anderen Seite ist die CD aber reich genug an neuen Ideen und Innovationen, dass man sie nicht als bloßen Abklatsch der vorigen neun Alben ansehen braucht. Klar, ohne Makel ist die Scheibe nicht, ein paar der Experimente quietschen ein wenig (wenn ich das mal so sagen darf), aber gerade das macht den Charme der Scheibe aus, zumindest für alteingesessene Fans. MY DYING BRIDE, die in musikalischer Hinsicht so was wie Freunde für den Hörer sein dürften, versuchen halt was Neues und es holpert zwar ein bißchen, aber geil sind die Songs trotzdem. Ist ja nur menschlich. Wieso allerdings die letzten anderthalb Minuten von „Death Triumphant“ einfach nur Stille auf die CD gepresst wurde, versteh ich nicht ganz. Wurscht, „For Lies I Sire“ ist ein sehr starkes Album geworden, das MY DYING BRIDE von einer etwas ungewohnten aber nichts desto trotz guten Seite zeigt. Kaufen.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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