Review Neal Morse – Cover To Cover

  • Label: InsideOut
  • Veröffentlicht: 2006
  • Spielart: Rock

Es ist mittlerweile nichts besonderes mehr, dass NEAL MORSE mindestens ein Album pro Jahr veröffentlicht. Im letzten Jahr gab es sogar gleich drei Alben: Eins für die Progfans, eins für die Christen, eins für die Singer-Songwriter-Freunde. Auch dieses Jahr gab es zur Acoustic Worship-Tour im Februar ein neues Worship-Album mit dem Titel „Send The Fire“. Nun wäre es aber mal wieder Zeit für ne neue Progplatte, oder? Nix da, Neals neues Prog-Epos erscheint Anfang 2007, bis dahin vertröstet er uns mit „Cover To Cover“.

Auf diesem neuen Silberling gibt es eine Ansammlung von Coversongs zu hören, die während der Sessions zu Neals letzten drei Studiowerken „?“, „One“ und „Testimony“ entstanden sind. Insgesamt beleuchten Neal und seine Freunde Mike Portnoy (Dream Theater) und Randy George (Ajalon) hier vor allem ihre Vorliebe für die 60er und 70er Jahre, mit klassischem Pop, Rock- und Singer-Songwriter-Songs. Dem informierten Fan wird bei einem Blick auf die Tracklist schnell auffallen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Zwar finden sich mit den sieben Songs der „?“-Aufnahmesessions auch bisher unveröffentlichte Tracks auf dem Album, die restlichen sechs Songs sind jedoch schon von den Special Editions der Studioalbum bekannt, auf denen sie als Bonusmaterial vertreten waren. Insofern steckt hinter „Cover To Cover“ eine geschickte Marketing-Strategie, vor allem wenn man bedenkt, dass das Album zunächst nur über Neals eigenes Label Radiant Records veröffentlicht wurde und nun durch den Vertrieb von InsideOut auch einem größeren Hörerkreis zugänglich gemacht wird. Angesichts der Tatsache, dass hier nur verhältnismäßig wenig Neues geboten wird, wird der eine oder andere Fan oder Liebhaber das Ding sicherlich im Laden stehen lassen, andererseits gibt es natürlich die Komplettisten, die alles haben müssen. Und die werden auch „Cover To Cover“ kaufen. Immerhin wird das Album zu einem vergünstigten Preis um elf bis zwölf Euro angeboten.

Aber nun mal zur Musik an sich: Auffällig ist, dass die Tracks allesamt sehr gut zusammen passen, d.h. man hat tatsächlich den Eindruck, hier ein homogenes Coveralbum zu hören, obwohl es im Grunde in einem Zeitraum von drei Jahren entstanden ist. Andererseits ist unüberhörbar, dass Neal & Co. bei jeder Aufnahmesession nach einem individuellen Sound für die Tracks gesucht haben. So klingen zum Beispiel die zwei Tracks der „Testimony“-Aufnahmen ähnlich klassisch, symphonisch und getragen, wie auch das Hauptalbum. Hier kommt das „Neal Morse“-Wohlfühlgefühl wieder zum Vorschein: Du wachst am Sonntagmorgen verschlafen auf, die Sonne lacht dir durchs Fenster entgegen und du legst erst mal „Tuesday Afternoon“ auf und fühlst dich einfach gut!

Die vier Tracks der „One“-Sessions, u.a. „Where The Streets Have No Name“ (U2) und „I’m Free / Sparks“ (von legendären „Tommy“-Album von The Who) wirken dagegen locker-flockig und hoffnungsvoll, wie auch die „One“ in großen Teilen. Das U2-Cover beispielsweise kommt enorm kraftvoll rüber und bei „I’m Free / Sparks“ rocken die drei Kumpels geradezu um die Wette. Die klassische Instrumentierung ist hier schon etwas zurückgenommen worden, dennoch gibt es Bläser und ähnliches zu hören.

Bei den sieben Liedern von den „?“-Recordings schließlich wirkt der Gesamtsound größtenteils eher poppig, gelegentlich angerockt, mit einem unbändigen Groove, der die Spielfreude, die die drei während der Aufnahmen mit Sicherheit hatten, direkt ins Wohnzimmer bringt. Das klingt lässig, locker, teilweise fast schon wie eine richtig gute Jam-Session, nur professionell aufgenommen. Der Sound ist hier insgesamt extrem retro- und sixtees-lastig, was sicherlich auch nicht jedermanns Sache ist. Aber es ist ja kein Geheimnis, dass Neal diesem Jahrzehnt und auch den Beatles (die auf „Cover To Cover“ auch das eine oder andere Mal indirekt geehrt werden) besonders zugeneigt ist. Dennoch erklingen die Songs im typischen Neal Morse-Sound, sodass man sich sofort heimisch fühlt. Lediglich dieses Worship-Gefühl und die ganz tiefgehenden Emotionen, die Neals neuere Eigenkompositionen auszeichnen, fehlen mir hier schmerzhaft.

Ob ihr euch diese Songansammlung letztendlich ins CD-Regal stellt, ist eure Sache. An sich gibt es hier 63 Minuten Musik voller Spaß und großem Unterhaltungswert, in gewohnt guter Qualität; zudem dürfte das mal wieder eine Scheibe sein, die sich auch Neal Morse – Sympathisanten, die rein gar nichts von seinem „Christen-Gehabe“ wissen wollen, ohne schlechtes Gewissen zulegen können. Cover und Aufmachung sind zwar wenig ansprechend und recht unprofessionell, dafür gibt es ausführliche Linernotes von Mike Portnoy, der Initiator diese Projekts war.

Keine Wertung

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