Review Neal Morse – The Transatlantic Demos

Transatlantic – die „Supergroup“ des modernen Prog – bestehend aus Mike Portnoy (Dream Theater), Neal Morse (ex-Spock’s Beard), Roine Stolt (Flower Kings) und Pete Trewavas (Marillion) – brachte es mit „SMPT:e“ (2000) und „Bridge Across Forever“ (2001) nur auf zwei Studioalben. Dass wohl mit verkaufsträchtigste Szene-Projekt der letzten Jahre musste, wie auch Spock’s Beard, unter Neals Wandlung zum Christen „leiden“. Mike Portnoy erklärte sich nicht bereit, Transatlantic ohne Neal weiterzuführen. Doch Gott sei Dank gibt es noch immer genug andere Möglichkeiten für Transatlantic-Fans, sich mit Produkten ihrer Lieblinge einzudecken. Es erschienen noch zwei Livealben unter den Titeln „Live In America“ und „Live In Europa“, sowie zwei DVDs („Live In Europe“ und der Doppeldecker „Live In America/Building The Bridge mit einem Making Of zum zweiten Album). Wer jetzt immer noch nicht genug hat, schaut am besten Mal bei Neal Morse’ Plattenfirma Radiant Records vorbei: Diese vertreibt nicht nur die „Roine Stolt Mixes“ vom ersten Transatlantic-Album „SMPT:e“, sondern auch die Demos, die Neal vor den Aufnahmesessions für das Projekt angefertigt hat. Und um die soll es hier gehen.

62 Minuten Demomaterial versammelt sich unter dem simplen Titel „The Transatlantic Demos“. Zu hören bekommen wir Songs, die es nachher in größten Teilen auch auf beide Transatlantic-Alben geschafft haben. Der hier 18-minütige Opener „Hanging In The Balance“ wurde später zu „Stranger In Your Soul“, nichtsdestotrotz gibt es einen Part auf dem Transatlantic-Album, der noch den Namen von Neals Demo trägt. Hier fällt bereits auf, was viele bei Transatlantic beklagt haben und die Band selbst immer schöngeredet hat. Ja, Neal hat mindestens 70 Prozent des Materials angeliefert und es wurde nun mal fast so übernommen. Beim zweiten Album hat man versucht, auch die anderen Beteiligten mehr einzubringen, was zwar gelungen ist, aber wohl nicht in dem Maße, wie es sich viele gewünscht haben. Die Kernideen von „Stranger In Your Soul“ jedenfalls stammen von Morse, auch wenn das Intro fehlt und der Song bei Transatlantic noch gestreckt wurde. Akustikgitarrenpassagen wurden zu Jamsessions mit unsauberem Rock’n’Roll, über den ein oder anderen umstrukturierten Instrumentalpart und das weniger bombastische Finale des Demos wollen wir hier mal hinwegsehen. „Working On Mystery Train (On A Bus)“ ist eine nicht ganz zweiminütige Kassettenrecorder-Aufnahme mit einer Akustikgitarrenimprovisation, die es nicht auf das Album geschafft hat. Die Transatlantic-Feuerzeugballade „We All Need Some Light“ liegt hier schon in quasi fertiger Version vor, da von Neal völlig allein komponiert. Daran wurde, mit Ausnahme der Tatsache, dass die beteiligten Musiker die Parts neu einspielten, wohl nur an ein paar Akkordfolgen im Akustikgitarrensolo etwas geändert, sowie der gospelähnliche Chor etwas zurückgefahren.

Aus dem hier neunminütigen „Dance With The Devil“, das Neal ursprünglich für ein Soloalbum des Spock’s Beard-Keyboarders Ryo Okumoto komponiert hatte, wuchs ein 27-minütiges Epos mit dem Titel „Duel With The Devil“. Auch hier lassen sich viele Ideen des fertigen Resultats und tragende Teile wieder erkennen, das Flair des Tracks ist aber wesentlich kühler und konstruierter als in der fertigen Version, hat mehr ELP-Touch und ist generell sehr keyboardlastig. Den Hammondsolo-Teil hat man wohl gestrichen, ebenso das Basssolo und das Barpiano. Wohl der einzige Track, der nicht nur mit Teilen von anderen Mitstreitern aufgefüllt wurde, sondern bei dem auch Neals Parts deutlich überarbeitet wurden. „Working On Piano Solo in All Of The Above“ ist wieder eine Kassettenaufnahme. Selbsterklärend und unnötig. Die Ballade „Bridge Across Forever“ kommt hier mit einem längeren Pianointro daher und mit leichten Gitarrenklängen, die auf der finalen Version gänzlich verschwunden sind. Hinter „Full Moon Rising“ verstecken sich die Neal-Parts für den allerersten Transatlantic-Longtrack „All Of The Above“. Es startet wieder als Kassettenrecorder-Aufnahme, geht dann aber abrupt in die Homedemo von Neal über.

„Full Moon Rising“ ist 8 Minuten kürzer als sein ausgewachsener Bruder, dennoch stammen Intro und einleitender Instrumentalpart eindeutig von Neal. In den Strophen fällt des Öfteren auf, dass Neal nur „lalala“ singt, weil noch Text fehlt. Nach zehn Minuten kommt ein sehr cool instrumentierter Part, der es zwar so ähnlich aufs Album geschafft hat, hier mit diesem Keyboardsound aber beinahe noch cooler wirkt. Klingt in etwa wie Flamenco mit Prog und Ethno-Techno. Interessant auch, dass der „Camouflaged In Blue“-Part, der mir auf dem Transatlantic-Album nie so recht in den Song gepasst hat, hier völlig fehlt. Wirkt meiner Ansicht nach so runder. Ansonsten ist das hier fast der fertige Song.

Alle, die sich für den Entstehungsprozess eines Albums und auch marginale Details interessieren, sei also diese Demosammlung ans Herz gelegt. Sicherlich nur etwas für wirkliche Fans, die auch mal Hinter die Kulissen gucken wollen. Die Qualität der Demos ist allerdings phänomenal, da Neal hier alles selbst gespielt und zudem ziemlich komplexe Drumcomputerspuren programmiert hat. Natürlich wirkt alles noch lebloser und klinischer, dennoch ist es beängstigend, wie nah am fertigen Produkt diese Versionen hier überwiegend sind. Erschreckend also, was Transatlantic wirklich war: Neal Morse Songs mit ein paar eingeschobenen Parts von beinahe schon zu Gastmusikern degradierten Songschreibern, die hier und da was an Neals fertigen Arrangements gedreht haben und den ein oder anderen Gesangspart übernahmen. Das mag etwas übertrieben sein, aber im Kern der Sache ist es wahr. Von den vier selbst geschriebenen Transatlantic-Longtracks kam nur „My New World“ überwiegend aus Roine Stolts Feder. „Duel With The Devil“ wurde im Prinzip von Neals Demo aus auf 26 Minuten gestreckt. Noch Fragen?

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