Review Nergard – Memorial For A Wish

Manche CDs machen es einem nicht leicht. „Memorial For A Wish“ von NERGARD ist genau so ein Fall: Viel Licht, viel Schatten, schwer zu bewerten. Aber erst einmal die offensichtlichen Fakten: Andreas Nergård, Komponist und Kopf von NERGARD, ist ein 23 Jahre alter norwegischer Musiker, der sich mit NERGARD seine persönliche Allstar-Truppe für eine Metaloper zusammengesucht hat, die einige durchaus respektable Namen in der Besetzungsliste melden kann: Neben David Reece (ex Accept) und Mike Vescera (ex Yngwie Malmsteen) liest man dort auch Ralf Scheepers (Primal Fear).
Kennt man diese Geschichte nicht? Ja, schon Tobias Sammet hat in ähnlich zartem Alter seine spätere Weltkarriere mit einem solchen Projekt fundiert. Nur mit einem entscheidenden Unterschied: Sammet hatte damals schon fast zehn Jahre Erfahrung mit Edguy, war also in Aufnahmetechnik und Songwriting bewandert. Und genau das scheinen mir die Punkte zu sein, an denen es bei NERGARD mangelt.

Acht Songs präsentiert „Memorial For A Wish“, die zusammen fast 65 Minuten Musik ergeben. Klingt nach langen Tracks? Amen. Und leider wird die Spielzeit der Tracks nicht immer optimal genutzt. Der über neun Minuten lange Opener ist so ein Fall: Nachdem eine unglaublich pathetische Stimme in die Hintergrundgeschichte eingeleitet hat, gibt es eine Art Ouvertüre mit einem Querschnitt von verschiedenen Melodien. Klar, kann man machen. Aber muss das mehr als neun Minuten dauern? Eine richtige Struktur hat das Lied nicht. Und so kompliziert ist die Hintergrundgeschichte ehrlich gesagt nicht, dass sie lange erklärt werden müsste – in aller Kürze: Der Protagonist wird im Irland des späten 19. Jahrhunderts für ein Verbrechen verurteilt, das er nicht begangen hat, kommt für 20 Jahre in ein Gefängnis, sodass seine schwangere Frau alleine bleiben muss. Als er das Gefängnis schließlich verlässt, ist sie längst bei der Geburt des Kindes gestorben, seine Freunde haben sich von ihm abgewendet, die Trauer überwältigt ihn und er begeht Selbstmord. Diese Geschichte bildet den Faden für die einzelnen Songs auf „Memorial For A Wish“, die jeweils ausgewählte Episoden oder Reflektionen über die Lage des Protagonisten darstellen.

Die weiteren „richtigen“ Lieder auf „Memorial For A Wish“ sind dafür erfreulich zügig und bieten das, was das Album für mich absolut hörenswert macht: großartige Melodien. Wirklich, dafür hat NERGARD ein Händchen – kaum ein Song, bei dem mir nicht eine oder mehrere Melodielinien noch lange nachhingen. Auch die Gastsänger sind gut ausgewählt und geben den Songs unterschiedliche Stimmungen: Verzweiflung („A Question Of God“), Wut („Hell On Earth“), Trauer („Is This Our Last Goodbye“) und noch mehr Trauer („Requiem)“. Auch musikalisch variiert NERGARD, zum Teil mit überraschenden Einfällen, wie den hardrockigen Akkordschlägen auf „Is This Our Last Goodbye“. Leider ist die Produktion manchmal arg schwach und klingt nach Heimstudio. Das macht es nicht gerade leicht, die vielen Gastsänger zu unterscheiden.

Aber leider fällt auch bei den schönsten Melodien das unausgegoren wirkende Songwriting auf. Völlig unnötig wird oft der Druck herausgenommen, um weitere Sprachsamples einzufügen, die es wahrlich nicht gebraucht hätte („Angels“, „Requiem“). Und auch wenn die Melodie noch so schön ist, wie die auf „An Everlasting Dreamscape“ – wenn man sie im Arrangement in übelstem Kitsch ertränkt, bleibt leider wenig davon übrig. Und „Requiem“ ist einfach zu lang und zusammengestückelt geworden.

Also: „Memorial For A Wish“ zeigt hervorragende Ansätze. Andreas Nergård hat ein wahnsinniges Talent beim Melodienschreiben, aber leider auch gravierende Schwächen, daraus gute Songs mit eigener Struktur und Spannungsbogen zu schreiben. Wünschen wir ihm also, nein, hoffen wir, dass er am Ball bleibt, weiter macht, vielleicht einen guten Mentor findet und einfach dazulernt. Dann könnten er und ich noch richtig gute Freunde werden. Bis es so weit ist, sollten erst einmal nur Fans von Avantasia, Ayreon und Konsorten bei NERGARD reinhören.

Wertung: 6.5 / 10

Publiziert am von Marc Lengowski

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