Review New Order – Music Complete

Dass Pop nicht von seiner Vergangenheit lassen kann, ist eine wohlbekannte Tatsache. Dass er das auch nicht will oder auch nicht immer sollte, beweisen die Synth-Pop-Legenden NEW ORDER anno 2015 mit ihrem neuen Output auf eindrucksvolle Weise. Ihr Album „Music Complete“ nämlich ist ein Parforceritt durch gut 40 Jahre Popgeschichte geworden, der gerade angesichts seiner postmodernen Collagenhaftigkeit eine wahre Freude ist. Was das Ganze auf metal1.info zu suchen hat? Für alle Unkundigen: NEW ORDER gingen nach Ian Curtis‘ Suizid vor nunmehr 35 Jahren aus der Asche der stilbildenden Post-Punk-Ikone Joy Division hervor, deren nihilistisch-misanthropische Studiowerke so manch Depressive-Suicidal-Black-Metal-Band bis heute das Fürchten zu lehren vermögen.

Nun, zugegebenermaßen wird auf „Music Complete“ eher die Leichtigkeit des Seins zelebriert. Todessehnsucht und morbiden Endzeit-Charme findet man hier sicherlich nicht. So ganz von der alten Melancholie können die vier Herren und die Dame – seit 2007 um Original-Bassist Peter Hook ärmer – allerdings nicht lassen. Doch es ist die Melancholie einer Großraum-Disco. Eine Melancholie, die sich zwischen Stroboskopblitzen, bunten Lichtern und geistigen Getränken nur selten in den Vordergrund drängt, aber unter der Oberfläche treibender Beats stets präsent ist; ein unterschwelliges, elegisches Singen in das es sich fallen zu lassen gilt.

Besonders stark ist die Platte genau dann, wenn diese ganz spezielle Party-Melancholie im Fokus der Songs steht. Im treibenden, über weite Strecken von einem simplen Four-to-the-floor-Beat dominierten „Singularity“ ist dies der Fall. Auch das mit Italo-Disco-Anklängen versehene, von Gastsängerin Elly Jackson (La Roux) veredelte „Tutti Frutti“ weiß in dieser Hinsicht zu gefallen. In „Stray Dog“ dürfen die Synthesizer düster schwelen, während Special Guest Iggy Pop mit tiefer Grabesstimme einmal mehr den Outlaw mimt und ein Gedicht über den nachtblauen Klangteppich rezitieren darf. Als weiteres Highlight fungiert das mit beinahe acht Minuten Spielzeit überlange „Nothing But A Fool“, das besonders durch seine schwelgerischen Strophen-Parts und perlenden Bass-Riffs eine Atmosphäre verbreitet, die Assoziationen zu The Cure in ihren seligen „Disintegration“-Zeiten hervorruft. Doch auch fröhlichere Tracks wie der eingängige Opener „Restless“, das sonnig-funkige „People On The High Line“ oder der ein wenig an die Pet Shop Boys erinnernde Closer „Superheated“ sind nicht von schlechten Eltern.

Im Großen und Ganzen demonstrieren NEW ORDER auf „Music Complete“ also, dass sie auch nach dreieinhalb Dekaden Bandgeschichte und zehn Jahre nach ihrem letzten Studioalbum „Waiting For The Sirens Call“ nichts verlernt haben. Neu-Bassist Tom Chapman vertritt den ausgeschiedenen Peter Hook mehr als würdig und die 2011 ins Bandgefüge zurückgekehrte Keyboard-Dame Gillian Gilbert verschiebt den Sound-Fokus wieder weg von den Gitarren, hin zu den Synths. Was letztlich dabei herausgekommen ist, ist kein Meisterwerk, aber trotzdem ein erstaunlich frisches Album, mit dem man sehr gerne ein paar Nächte durchtanzen und durchschwelgen möchte.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Nico Schwappacher

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