„Wat?“, wird der eine oder andere sich fragen „Der Heckmann reviewt schon wieder eine Prog-CD? Darf der das überhaupt noch? Der mag den Kram doch gar nicht.“ Ja, ich weiß, progressive Musik und ich, das war immer schon so ’ne Sache, die war mir noch nie wirklich grün. Und NOREAH und ich… das war eigentlich schon eher ein Unfall. Da schaut man mal nur mit einem halben Auge nach den neu reingekommenen Promos, verließt sich und schon holt man sich anstatt einer Progressive Death Metal CD eine Progressive Metal-Scheibe ins Haus (ich weiß auch nicht, woher ich in dem Augenblick das Wörtchen „Death“ genommen hatte, aber ich schwöre, dass ich’s nicht absichtlich und aus bösem Willen getan hab). Da hat man den Salat und da es sich um eine Eigenproduktion und außerdem um die Debut-EP der jungen Band handelt, sollte man ja nicht so fies sein wie bei der etablierten Konkurrenz, wenn die mal ins Fettnäpfchen steigt. Was mir auch nicht unbedingt liegt. Also schob ich NOREAHs Debut „Invertebrate Semblance“ erst mal ein wenig vor mir her.
Der erste Durchlauf bewies mir dann allerdings, dass das gar nicht Not getan hätte. Denn so schlecht, wie ich das erwartet hatte, geht das sächsische Quintett gar nicht zu Werke. Der Opener „Only A Philosopher Is A True Godsman“ zeigt schon mal gar nicht so wenig Potential. Die Produktion ist ein wenig dünn geraten und kommt auch recht trocken durch die Boxen, aber es handelt sich ja immerhin um eine Eigenproduktion, dafür klingt’s recht ordentlich. Technisch gesehen ist auch alles im grünen Bereich und im Gegensatz zur Prog-Konkurrenz haben NOREAH auch keine Angst davor, „Anspruch“ zugunsten von eingängigem Riffing und netten Melodien zu opfern. Das abgehackte Palm-Mute-Geschrubbe vermischt mit einem eingängigen Lead-Riff und sehr einprägsamen Gesangslinien, die den Großteil des Songs dominieren, machen überraschend viel Freude und auch auf den folgenden drei Tracks wird ähnliches zelebriert.
Trotz dem Verfolgen nachvollziehbarer und sinnvoller Songstrukturen lassen NOREAH hier und da aber auch mal den Abwechslungsreichtum regieren. Akustikteil trifft auf Basssolo trifft auf Ohrwurmrefrain trift auf anspruchsvollen Lead-Part. Das Songwriting auf „Invertebrate Semblance“ ist angenehm und größtenteils ausgereift, nur hier und da verliert die Band mal den roten Faden aus den Augen und verrennt sich ein wenig in ihren eigenen Kompositionen („One on One“ sollte hier hervorgehoben, das nach dem ersten Refrain nicht wirklich weiß, wie’s denn jetzt weitergehen soll… der Refrain ist übrigens auch von der eher merkwürdigen Sorte, wenn ich das richtig verstanden habe – Texte liegen nicht bei – heißt’s da „I’d rather fight with you for the rest of my life/Then I’d have, then I’d have sex with anyone else„… ahja, putzig), aber das ist tatsächlich die Ausnahme. Meistens geht die Musik stark vorwärts und bleibt – wie gesagt – nachvollziehbar.
Kritik muss aber auch angebracht werden, wo Kritik nötig ist. Und die hat Sängerin Alexandra Freund sich eindeutig verdient. Ihre Stimme ist angenehm individuell und theoretisch meistert sie die recht eigenwilligen Gesangslinien ohne Probleme. Aber ihre Aussprache ist ein wahrer Graus, die Frau nuschelt hier und da ganz extrem und das stört. Vor allem bei den ersten Takten von „Only A Philosopher Is A True Godsman“ fällt das auf, aber auch sonst gibt’s immer wieder Augenblicke, in denen das recht böse ins Gewicht fällt.
Daran sollten NOREAH noch arbeiten, ehe sie ihr Debutalbum aufnehmen, genau wie an einem etwas stringenteren Songwriting hier und da, dann könnte das Ding für Progfans eh antestenswert, für alle anderen aber auch eine nette Sache werden.
Keine Wertung