Review Obey The Brave – Mad Season

Wie schon zu Zeiten von Despised Icon bleiben Alex Erians OBEY THE BRAVE ihrem Veröffentlichungsrhythmus von zwischen zwei und drei Jahren treu und werfen mit „Mad Season“ ihr drittes Werk auf den Markt. Nachdem das Debüt „Young Blood“ noch darauf hoffen ließ, dass die Band von dort an dauerhaft hochkarätige Alben veröffentlichen würde, ging es mit dem Nachfolger „Salvation“ bereits einen Schritt zurück – die große Frage war, ob die Band es mit dem dritten Album schaffen würde, zu alter Stärke zurückzufinden, oder ob sich die Entwicklung in die falsche Richtung fortsetzen würde. Nach einigen Hördurchläufen überwiegt die Enttäuschung: Einerseits kann man tatsächlich einige coole Ansätze heraushören, jedoch zeigen sich die Kanadier erschreckenderweise auch wenig gefeit vor dem regelmäßigen, beherzten Griff ins musikalische Klo.

Da wäre zum Beispiel die erste Singleauskopplung „Drama“, die durch den stark gesungenen Refrain, die Death-Metal-Screams des ehemaligen Despised-Icon-Kollegen Steve Marois und insbesondere die fetzigen Uptempo-Parts und Breakdown-Rhythmen eine spannende Atmosphäre entwickelt – die dämlichen Kinderchöre im Refrain hätte man sich dagegen sparen können. Dasselbe gilt für den Titeltrack, und die Parkway-Drive-anno-2015-Schiene, die die Band in „97 Season“ fährt (seichten Pop-Rock mit ein bisschen Alibi-Härte), hat der Fan der ersten Stunde auch ungefähr so dringend nötig wie einen Halbzeit-Auftritt von Anastacia bei einem Fußballspiel. Auf die Spitze treiben OBEY THE BRAVE diese Geschmacklosigkeit in der letzten Minute von „Les Temps Sont Durs“, das bis dahin ein starker, weil temporeicher und intensiver Track ist.

Erfreulich konsequent ziehen OBEY THE BRAVE ihren Stiefel dagegen in „Feed The Fire“ runter – zwar gibt es auch hier mitunter seichten Gesang zu hören, der ist aber an dieser Stelle weder deplatziert noch trieft er vor Klischees. Auch „The Distance“, „Way It Goes“ sowie der Opener „On Thin Ice“ und die Hymne „On Our Own“ haben gute Momente.

Insgesamt ist „Mad Season“ jedoch trotzdem ein Album, das sich am Besten mit „durchwachsen“ beschrieben ist: Oft wirken die Kanadier, als seien sie hoffnungslos gefangen im Widerspruch zwischen Massen- und Musikgeschmack, Kitsch und Können sowie dem Anspruch an sich selbst und dem an die Albumverkäufe. Auf Song-Elemente, die an die alten Zeiten der Band erinnern, folgen allzu oft viel zu seichte Gitarrenspielereien, deplatzierte Gesangsparts und musikalisch völlig sinnbefreite Chorusse oder Tempowechsel. Wer dem Album trotzdem eine Chance geben möchte, sollte in die letzten drei Tracks reinhören, die noch am überzeugendsten sind. Wer ein überzeugendes Hard- oder Metalcore-Album sucht, ist woanders besser bedient.

Wertung: 5 / 10

Publiziert am von Pascal Stieler

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