In einer Welt, die von iTunes, Spotify, Youtube und anderen mp3-Umschlagplätzen bestimmt wird, mag dieses Erlebnis wohl immer seltener werden und dem einen oder anderen eventuell ganz verwehrt bleiben: Das Erlebnis, vom Artwork einer CD so in seinen Bann gezogen zu sein, dass man sich die CD ungehört kauft – schlicht, weil die Musik, die sich hinter einem solchen Bild verbirgt, nicht schlecht sein kann.
„Kiasma“ von ONEIROGEN ist ein Album, auf das genau dieses Szenario zutreffen könnte. Denn auch wenn das Bild des überfluteten Waldes in den ersten (oder letzten?) Sonnenstrahlen des Tages vielleicht nicht eben bisher ungesehen kreativ oder einzigartig ist, übt das Bild auf mich dennoch eine fast magische Faszination aus, die mich, bevor ich überhaupt einen Ton gehört habe, der CD gegenüber positiv einstimmt – weil Musik, die sich hinter einem solchen Bild verbirgt, nicht schlecht sein kann.
Ob es nun Einbildung sein mag, dass man mit dieser Einschätzung meist richtig liegt, oder Zufall, oder ob ein Sinn für Ästhetik hinsichtlich des Layouts auf musikalisches Talent hinweist, lässt sich wohl nur schwer eruieren – Fakt ist: Wer sich im Falle von ONEIROGEN auf die Optik der CD verließe, läge musikalisch auf keinen Fall daneben. Denn genau so andächtig, stimmungsvoll, ungetrübt und mystisch, wie sich der Wald auf dem Titelbild präsentiert, klingt auch die Musik des New Yorker Musikers. Dabei deckt dieser von melancholisch-verträumten Melodien („Pathogen“) über breite Ambient-Sound-Teppiche („Gauze“) und fast technoide Synthesizer („Mutilation“) bis hin zu doomigen Riffs, die auch von Funeral-Doom-Kapellen wie Collosseum stammen könnten („Numina“), verschiedenste Bereiche düsterer Kompositionskunst ab und erschafft so ein mitreißendes, vielseitiges und doch in sich schlüssiges Instrumental-Album, das mit Ausnahme des abschließenden „Mortisomnia“, in welchem einige Verse gesprochen werden, prächtig ohne Gesang auskommt und dennoch zu keiner Zeit langweilig wird.
Wer Ambient und Drone bislang immer für langweilig erachtet hat oder dachte, dass Instrumental-Alben keine Stimmung aufzubauen in der Lage wären, sollte sich von „Kiasma“ eines Besseren belehren lassen. Alle anderen, vor allem Fans der anderen Bands aus dem Roster von Denovali, können hier bedenkenlos und ohne zu zögern zugreifen, liefert Mario Diaz de Leon hier doch ein wirklich beeindruckendes, packendes Werk ab, das an atmosphärischer Tiefe und musikalischer Dunkelheit seinesgleichen sucht.
Wertung: 8 / 10