Review Oslo Ess – Verden På Nakken, Venner I Ryggen

Gitarrenmusik aus Norwegen, in der Landessprache vorgetragen – da sind nicht selten Corpsepaint, Nieten, Blut und eine dicke Prise Misanthropie mit von der Partie. Nicht so bei OSLO ESS, die sich lebensbejahendem Punkrock verschrieben haben. Man glaube es oder nicht, aber auch dieser Stil hat in dem skandinavischen Land Erfolg, denn das Debüt der Hauptstädter war 2011 sogar für den Spellemannprisen, den norwegischen Grammy, in der Kategorie bestes Rock-Album nominiert. Wie man das allerdings auch von den Grammys kennt, sagt Erfolg nicht viel über die Qualität der Musik aus, aber ziehen wir mal keine voreiligen Schlüsse.

OSLO ESS sind seit 2010 aktiv und haben sich mittlerweile zur am meisten tourenden Band Norwegens hochgemausert. Das hört man dem hier vorliegenden Studiozweitling „Verden På Nakken, Venner I Ryggen“ auch an, denn die zehn erfrischenden Aufnahmen spiegeln die Live-Energie der Musiker gelungen wider. Gestartet wird mit einem Schlag in die Fresse: „Kakerlakkene“ brettert im Uptempo los und versprüht dreckigen Flair im Stile der Deutschpunker Terrorgruppe. Dazu passt der raue Gesang von Frontmann Åsmund Lande, der aber auch mehrstimmige, melodische Passagen bietet.

Es ist letztere Facette, die im Endeffekt den Sound von OSLO ESS prägt. Bereits der zweite Track „God Morgen“, der an Social Distortion erinnert, tönt poppig und zahm, aber immer noch eine Spur punkig aus den Boxen und wartet außerdem mit Orgelbegleitung auf. „Bislett Stadion“ wiederum lässt mit seinem verspielten Einstieg, den stampfenden, straighten Strophen und dem mitreißenden Refrain an die Beatsteaks denken. Der erste Eindruck, dass es sich bei „Verden På Nakken, Venner I Ryggen“ um ein recht vielseitiges Album handelt, wird weiter gefestigt, als sich „Fritt Fram“ als fröhliche Ska-Punk-Nummer mit Off-Beat und Orgel, aber ganz ohne Bläser entpuppt. Bei „Caroline“ handelt es sich um den Band-Hit, der auch ein halbes Jahr im norwegischen Radio hoch und runtergedudelt wurde: ein rockiges, flottes Liebeslied mit poppigen Piano-Melodien und heiteren Lalala-Chören.

Spätestens zur Halbzeit ist klar: OSLO ESS legen viel Wert auf harmonische und eingängige Melodien, die Lebens- und Spielfreude versprühen. Das wird besonders in den hymnischen Refrains auf „Verden På Nakken, Venner I Ryggen“ deutlich. Die zweite Albumhälfte lassen die Norweger etwas gemütlicher angehen, oder kritischer gesagt: Ihnen geht etwas die Luft aus. Da reiht sich eine langsame Verschnaufpause mit Akustikbegleitung und an Die Toten Hosen erinnerndem Chor-Refrain, jedoch ohne den Fussballproletencharakter („Ut Av Det Blå“) an eine wirklich übertrieben milde Weichspülnummer („Är Du Som Jag?“), ehe mit „Gaselle I Tigerstaden“ eine Halbballade im Schunkeltempo folgt, die Richtung Dropkick Murphys schielt. „Tøffe Gutter“ wartet dann noch mal mit bratigen Gitarren und Uptempo auf, ehe man mit „Over Stokk, Over Stein“, das den Hörer zunächst mit Akkordeon, Mundharmonika und Akustikklampfe in eine Hafenbar versetzt, dann aber doch noch ein bisschen Punkrock zu bieten hat, schon am Ende angelangt ist.

Im Grunde kommen OSLO ESS etwas zu spät mit ihrer Veröffentlichung, denn „Verden På Nakken, Venner I Ryggen“ ist mit seinem Gute-Laune-Feeling ideale Mucke für den Sommer. Punk-Elitaristen werden für diese Scheibe wahrscheinlich nicht mal ein müdes Lächeln übrig haben, hartgesottene Metaller mit Scheuklappen sowieso nicht. Wer jedoch mit den oben genannten Bands etwas anfangen kann, der sollte auch OSLO ESS eine Chance geben. Sicherlich gehören die Norweger zu den poppigeren, weniger rotzigen Genossen im Punkrock-Bereich, so ideen- und gesichtslos wie die meisten Cali-Punkbands sind sie jedoch bei weitem nicht, und die norwegischen Texte stellen zudem ein nettes, exotisches Gimmick dar.

Wertung: 7 / 10

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