Review Rage – Black In Mind

Der Wagner, der Peavy, der tummelt sich seit über zwei Jahrzehnten mit seiner Haus- und Hofband RAGE in der deutschen Metalszene. Alben gibt es viele, schlechtes gibt es keines. Vor allem in der in der transatlantischen Besetzung mit Smolsky und dem mächtigsten aller Drummer (Terrana) wurde in den vergangenen Jahren qualitativ äußerst hochwertige Arbeit abgeliefert. Aber aus diesem Meer von guten bis ausgezeichneten Veröffentlichungen sticht eine hervor wie die Warzen auf Lemmys Gesicht: „Black in Mind“.
Dieses – 1995 veröffentlichte und mit der, ich nenne sie mal MKII, Besetzung Fischer (g), Efthimiadis (g) und Efthimiadis (d) aufgenommene – Album ist nach wie vor DER Meilenstein im anspruchsvollen, schnörkellosen und unkitschigen Power Metal, den bis heute nicht einmal Rage selbst toppen konnten. Die Spielkunst von Smolsky und Terrana in allen ehren, aber vor einer Dekade klangen RAGE anders: Einfacher, zwar verspielt aber mit weniger Gefrickel und schlicht und ergreifend geil. Peavy’s Künste als Songwriter fanden hier ihren absoluten Höhepunkt und auch das Metal meets Klassik Konzept der 1996 herausgebrachten „Lingua Mortis“ kam hier zu seinem ersten richtigen Orgasmus. Aber genug der langen Reden, was ist mit den Songs?

Gleich der Titelsong und Opener prescht ohne langes Zögern aus den Boxen. Flotte, fetzige und zugleich arschcoole Riffs werden von links und rechts abgefeuert. Das Schlagzeug tobt. Und in der Mitte brüllwürfelt Peavy so aggressiv wie schon lange nicht. So und nicht anders muss ein Album eröffnet werden. „The Crawling Chaos“ nimmt das Tempo etwas zurück und stampft heftig aber melodiös. Der Pre-Chorus jagt mir heute noch eiskalte Schauer über den Rücken. „Alive but Dead“ ist einfach nur noch böse und abgesehen von der schließenden Ballade der langsamste Song des Albums. Ein Absoluter Klassiker ist „Sent by the Devil“. Die Einleitung mit Streichern erzeugt eine drängende Stimmung, die schnell mit einem wahren Ausbruch genialstem Metals bestätigt wird. Wer hier stillsitzen kann, hört entweder Pop oder ist tot. „Shadow out of Time“ glänzt mit starken Lyrics und bietet Hooks ohne Ende. „A Spider’s Web“ ist wieder einer dieser pfeilschnellen Songs, die das Fleisch zum Zucken bringen.

Halbzeit.

Was jetzt kommt, wird wohl auf alle Ewigkeiten das ultimative Monument an Peavy’s Schaffenskraft sein. „In a Nameless Time“ ist alles. Monumental, gefühlvoll, hart, zart, eingängig, anspruchsvoll und einfach nur gut. Dieses Epos alleine rechtfertigt den Kauf des Albums. Nach so einem Hammer kann es eigentlich nur noch abwärts gehen und tatsächlich sehe ich „The Icecold Hands of Destiny“ als den schwächsten Song des Albums an. Nennen wir es Ruhepause, bevor mit „Forever“ erneut ein wahrer Sturm losbricht, der mit „Until I Die“ eine logische Fortsetzung findet. Die Band feuert hier aus allen Rohren und nimmt keine Gefangenen. Mit „My Rage“ wird es noch einmal böse, Peavy’s Antwort auf „No More Mr. Niceguy“. „The Price of War“ ist warscheinlich der am meisten unterschätzte RAGE-Song. Hört euch den Breakdown an und nennt mir einen triftigen Grund, warum dieses Mosh-Monster keinen Platz in der Live-Setlist bekommt! „Start“ ist noch einmal ein letztes Aufbegehren der Energien, eine Kampfansage an alle Daheimbleiber, bevor die wunderschöne Ballade „All This Time“ das Album beendet.

Die Produktion setzt dem Ganzen die Krone auf. Der Sound drückt ordentlich und vermag bei entsprechenden Boxen so manches Haar zu föhnen. Transparent und organisch klingt das Ganze, lebendig und spielfreudig, nicht so kalt und künstlich, wie es heute so manche Metal Platte tut. Das Coverartwork ist eine Studie in Understatement. Simpel und trotzdem mit hohem Anspruch wird der gute alte Soundchaser seinem Job als Band-Maskottchen gerecht.
Abschließend bleibt zu sagen: „Black in Mind“ ist ein Lehrstück in Sachen Power Metal. RAGE zelebrieren hier ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Sound, der sie zu einer absoluten Kultband avancieren lies. Die heutigen Werke erfüllen zwar höchste musikalische Ansprüche, aber die Eingängikeit und Spielfreude von „Black in Mind“ konnten sie bis jetzt noch nicht erreichen. Wer auch nur einen Funken Liebe für gut gespielten Metal aller Art hat, MUSS dieses Album besitzen.

Redakteur: Stefan Eder

Wertung: 10 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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