Review Redemption – The Fullness of Time

Anfang dieses Jahres hat mich ein Album völlig unvorbereitet getroffen und mit seiner Klasse beinahe überfordert. Die Rede ist von „The Origins of Ruin“ der Amerikaner REDEMPTION. Diese hochklassische Verbindung aus harten Passagen, gefühlvollem Gesang und Melodieführung voller Hooklines hat die diesjährige Konkurrenz weit hinter sich gelassen. Aufgrund dieser Genialität habe ich tiefer in der Diskographie der Band gegraben und den Vorgänger „The Fullness of Time“ für mich entdeckt, der bereits 2005 die Kritiker hingerissen hat.

Musikalisch steht man dem Nachfolger in nichts nach und der Sound ist sehr ähnlich aufgebaut. Aber wie Bandleader Nicolas van Dyk in unserem Interview schon richtig gesagt hat, warum seine Musik zwanghaft zu ändern versuchen, wenn die Fans und die Band mit dem Resultat zufrieden sind. Den Hörer erwartet also auch hier wieder eine harte, eingängige Nummer nach der anderen, die nicht zuletzte aufgrund des sehr zugänglichen Gesangs Alders an Emotionalität gewinnt. Jede Nummer hätte einen langen Aufsatz verdient, doch ich möchte hier nur einige Highlights hervorheben: Da hätten wir zum Beispiel den Ohrwurm „Scarred“. Hier ist vor allem der Refrain von einer so eingängigen Hookline geprägt, dass einen das Progressive-Herz höher schlägt. Das Tempo wechselt zwischen atemberaubend schnellen Frickelpassagen und Midtempo-Abschnitten. Es ist fast zu schön um wahr zu sein, was in diesem Stück abgeht.

Ein Song, der auf keinen Fall unerwähnt bleiben darf, ist das von vielen Fans als Bandhymne gepriesene „Sapphire“. Van Dyk verarbeitet darin fehlgeschlagene Beziehungen und falsche Entscheidungen, die Menschen in ihrem Leben treffen – er handelt von Liebe, Verlust und Bedauern. Eine 15-minütige Achterbahnfahrt der Gefühle erwartet den Hörer hier also, eine Achterbahnfahrt, die in ihrer Vielfältigkeit sogar noch das eben gelobte „Scarred“ überbietet, ja selbst der Text ist absolut lesenswert. Immer wieder trifft auf das im Midtempo gehalten Hauptriff eine Frickelattacke, wahlweise mit der Gitarre oder dem Keyboard. Nicolas scheint wahrlich ein Allrounder zu sein. Tighte Breaks halten den Song über die gesamte Laufzeit interessant und für manche Vocalabschnitte würde so manch andere Band ihre Seele verkaufen. Einzig die Produktion ist nicht ganz auf dem Niveau, die für dieses Album notwendig gewesen wäre. Im Gegensatz zum Nachfolger könnte hier das Schlagzeug etwas druckvoller ausgefallen sein und das Soundgewand hätte insgesamt eine klarere Produktion nötig. Beendet wird dieses Zentralstück von „The Fullness of Time“ druckvoll und ohne an Originalität einzubüßen.

Bandleader van Dyk spielte vor den Aufnahmen zu diesem Album mit dem Gedanken, ein Konzeptalbum schreiben zu wollen. Er ist zwar schlussendlich von dieser Idee abgekommen, doch ein Artefakt dieser Idee ist auf dem Album omnipräsent: die „The Fullness Of Time“ – Suite. Bestehend aus „Rage“, „Despair“, „Release“ und „Transcendence“ durchleben wir einen Teil der Bandbreite der menschlichen Gefühlswelt und gleichzeitig die volle Bandbreite der Schaffenskraft von REDEMPTION zu jenem Zeitpunkt. Beim ersten Stück dieser Suite, das den Namen „Rage“ trägt, hört man deutlich den Einfluss der NWOBM Bands auf van Dyk. Das Eingangsriff könnte direkt aus der Werkstätte Iron Maidens stammen, kurz darauf wird aber bereits wieder gefrickelt, was die Saiten und Tasten hergeben. Das darauffolgende „Despair“ ist der kürzeste Track der Scheibe und damit sehr eingängig, wobei Alders Gesang nichtsdestotrotz tief trifft. Am Ende des Songs wird das Konzept sehr deutlich, da der Song nahtlos in den nächsten Überhammer übergeht. „Release“ ist der Titel und genau dieses Gefühl wird einem vermittelt. So möchte man den Text nach wenigen Hördurchgängen bereits lautstark mitsingen, um sich von aller Anspannung zu befreien. Genau für solche Momente liebe ich diese Art von Musik: Härte, eine gewisse Portion Aggressivität und Gefühl verbunden, um den Hörer zu fassen und nicht mehr los zu lassen. Abgeschlossen wird das Album mit „Transcendence“, das nochmal alle Geschütze auffährt, dem emotionalen Album einen positiven Ausklang verpasst und in Wirklichkeit nur der letzte Song vor dem Opener ist, da man das Album am besten gleich wieder von vorne beginnt.

Nach dieser knappen Stunde Musik bleibt man überwältigt zurück. Das erst zweite Album der 2001 gegründeten Band strahlt eine Professionalität aus, die manch andere in ihrer ganzen Karriere nicht erreichen. Einzig die nur durchschnittliche Produktion trübt den Gesamteindruck ein wenig, kann aber der Komposition und der Umsetzung fast nichts anhaben. Es ist kaum zu glauben, aber REDEMPTION sind mit „The Fullness Of Time“ dem Nachfolger „The Origins Of Ruin“ ebenbürtig und mit dieser Band haben wir, wenn es nach mir geht, die Progressive Metal Band der Zukunft vor Ohren.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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