Review RPWL – The RPWL Experience

Beinahe drei Jahre ist es her, dass wir von RPWL neues Material serviert bekommen haben. Ihr 2005er Werk „World Through My Eyes“ hat seiner Zeit ziemlichen Eindruck bei mir hinterlassen. In der Zwischenzeit gab es mit „Start The Fire“ eine Doppel-Live-CD. Außerdem brachte Gitarrist Karlheinz Wallner im letzten Jahr unter dem Projektnamen Blind Ego Solomaterial heraus.

An der Bandbesetzung hat sich bei den Bayern seit dem letzten Album ausnahmsweise mal nichts getan. Optimale Voraussetzungen also, um den neuen Longplayer direkt mit dem Vorgänger zu vergleichen und ihn auch daran zu messen. Dieser Tatsache scheint sich auch die Band bewusst zu sein: „Unser letztes Album war so bunt, bunter geht’s nicht. Das erfüllte uns mit großer Zufriedenheit, sodass die Gefahr bestand uns nur noch selbst zu kopieren. Die Frage war: Bleiben wir auf der Insel, lehnen uns zurück und lassen alles so, wie es ist? Oder begeben wir uns wieder auf eine Reise, auf die Suche nach neuen Horizonten?“.

Das Ergebnis ist schon bereits äußerlich deutlich vom Vorgänger zu unterscheiden: Wo es bei „World Through My Eyes“ noch psychedelisch-kunterbunte Sommerwiesen zu sehen gab, kommt das neue Album mit einem Cover daher, das vergleichbar trist und farblos ist, das Einsamkeit, Hilflosigkeit und Abhängigkeit vermittelt. Der Seitenhieb an einen bekannten schwedischen Einrichtungskonzern ist zudem unübersehbar, wohl nur eine Metapher, die aber keineswegs deplatziert wirkt.

Der Opener „Silenced“ ist dann mit beinahe 10 Minuten Spielzeit auch gleich die längste Nummer auf Studiowerk Nummero Vier (bzw. Fünf, zählt man die Outtake-Sammlung „Stock“ mit). Alternative Gitarrenlicks und gradliniges Drumming eröffnen den Song ziemlich modern, ehe Sänger Yogi Lang einsetzt und sich ein symphonisch-epischer Kracher entwickelt. Gute Melodien, interessante Soloparts, eine für RPWL seltene Dynamik – ganz klar: Dieser Song setzt da an, wo das Vorgängeralbum aufhörte. Die Lyrics des Tracks sind zudem ziemlich direkt: Es geht darum, dass ein jeder die Augen vor der oft brutalen Wirklichkeit mit Armut und Ungerechtigkeit verschließt – dass wir lieber so tun, als würden wir davon nichts mitbekommen, als zu handeln. Und das wir von den Medien und der Gesellschaft zum Schweigen erzogen wurden: „We learned to be silent, so let’s keep it dark!“. Ein mächtiger, ungewohnt rockiger Einstieg in die RPWL-Welt. Sprach- und Drumsamples und wabernde Keyboards rücken den Song atmosphärisch mehr den je in die New Artrock-Ecke. Danach wird es mit „Breath In, Breath Out“ etwas liedhafter und songdienlicher. Eine schöne Ballade im typischen RPWL-Stil. „Where Can I Go“ atmet dann eindeutig den Beatles-Spirit, schrammelige Gitarrenriffs treffen auf eine Beatles-Strophe, die dann in einem schönen Refrain aufgelöst wird. Bei „Masters Of War“ handelt es sich um eine Bob Dylan-Coverversion. RPWL haben den Song, wie nicht anders zu erwarten, in ein psychedelisch-atmosphärisches Kleid gepackt. Sehr gelungen, natürlich mit mächtigem David Gilmour-Gitarrensolo. „This Is Not A Prog Song“ ist nicht etwa ein fieses Prog-Instrumental, sondern tatsächlich ein sehr einfacher „Gute Laune“-Song über RPWL selbst. „They are a german band, trying to play the music of Pink Floyd“, die qualitative Einordnung, die das lyrische Ich bzgl. der Musik von den bayrischen Jungs vornimmt, entdeckt ihr am besten einfach selbst.

Ziehen wir einmal Zwischenbilanz: Die ersten fünf Songs von „The RPWL Experience“ könnten unterschiedlicher nicht sein. Sowohl stilistisch als auch qualitativ werden hier ganz verschiedene Spektren abgedeckt. Es gibt Bekanntes, Neuartiges und Auswüchse in bestimmte Extreme. Die Vorliebe für britische Bands wie Coldplay oder Embrace kann man diesem Album teilweise noch deutlicher anmerken als dem Vorgänger, es gibt viele simpler gehaltene Gitarren-Schrammelpassagen.

Die zweite Hälfte des Albums eröffnet sogleich auch mit besagten Gitarrenakkorden. Absolut Coldplay-kompatibel, zumindest, was das Schlagzeug-, Bass- und Gitarrenlager angeht. „Watch Myself“ ist dann aber insgesamt allenfalls ganz nett, reichlich eintönig und langatmig. Das können Coldplay besser, da kurzweiliger und knackiger. Das prototypische Gitarrensolo und die Mellotronattacken sind okay, retten hier aber nichts. „Stranger“ ist ein Antikriegslied und eröffnet auch gleich mit Kriegsgeräuschen, sphärischen Synthies und trocken groovenden Gitarren und entwickelt sich dann ziemlich in Richtung Porcupine Tree. Trockene Riffs, leicht orientalische Keyboards, eine ruhige, von Akustikgitarren getragene Strophe und ein direkter Chorus. Neben „Silenced“ bisher klar die gelungenste Nummer. Der zweite New Artrock-Track, der zweite Volltreffer. „River“ ist eine epische Ballade mit psychedelischem Mittelteil, der allerdings recht unspannend und ohne wirklichen Sinn reingeklebt erscheint. Hier wird der ansonsten gelungene Song etwas zunichte gemacht. Dennoch: Wer die Balladen des Vorgängers mochte, wird diesen Track sehr gerne hören. „Choose What You Want To Look At“ ist dann der modernste Track der Platte: Verzerrter, beinahe gerapter Gesang wird zur Eröffnung unter Industrial-Drumloops gelegt, ehe Alternative Rock-Gitarren übernehmen und einen kurzweiligen Rocksong formen. Ein toller Refrain mit Ohrwurmgarantie wartet auf den Hörer. „Turn Back The Clock“ ist der ruhige, versöhnende Abschlusstrack, der noch mal über unser Leben und Handeln auf der Erde, unsere Träume und Wünsche philosophiert. Ein schöner Abschluss mit tollen Pianopassagen und Synthieklängen und einem majestätischen Gitarrensolo.

Das Fazit fällt in diesem Fall schwerer als gedacht: Die Jungs präsentieren mit ihrem neuen Album einen gelungenen Mix aus typischem RPWL-Material („Breath In, Breath Out“, „River“, „Turn Back The Clock“), frischen, modernen New Artrock-Akzenten („Silenced“, „Stranger“, „Choose What You Want To Look At“) und schlichtem Pop und Alternative Rock („Where Can I Go“, „This Is Not A Prog Song“, „Watch Myself“). Der Mischung ist also mindestens so bunt wie auf dem Vorgänger, wenn nicht sogar deutlich bunter. Leider funktioniert das Album als Ganzes nicht so gut wie „World Through My Eyes“. Zudem können mich die Gehversuche im Alternative-Bereich nicht wirklich überzeugen. Handwerklich, gesanglich und vor allem auch soundtechnisch ist dafür alles wieder auf absolutem Spitzenniveau. Die Produktion ist luftig und transparent, aber auch atmosphärisch und drückend, wenn es sein muss. Unter dem Strich bleibt also ein gutes Album mit schönen neuen Ansätzen und ein paar Fehltritten, das für mich allerdings einen Punkt hinter dem Vorgänger ins Ziel läuft.

Es gibt übrigens auch wieder eine Special Edition, die die beiden Bonustracks „Alone And Scared“ und „Reach For The Sun“ enthält.

Wertung: 8 / 10

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