Review Schandmaul – Traumtänzer

Zwölf Monate Pause – das hatten sich die Münchner Folkrocker von SCHANDMAUL für 2010 auf die Fahnen geschrieben. Ganz untätig waren die Musiker in dieser Zeit erwartungsgemäß nicht: Am 10. Oktober gab die Band bekannt, dass ihr neuestes Werk namens „Traumtänzer“ bereits Ende Januar 2011 in den Läden stehen wird. Für viele ein überraschend früher Zeitpunkt, da Thomas, Anna und Co. zuvor oft genug betonten, dringend eine ausführliche Auszeit vom anstrengenden Tour- und Studioalltag einlegen zu wollen. Doch nur wer die Sehnsucht kennt…

Und diese Sehnsucht geht in der gemeinsamen Schaffensphase zurück bis ins Jahr 2002 und den bandinternen Folkhöhepunkt „Narrenkönig“. Echter, lebendiger und erdiger klingt der „Traumtänzer“ im Vergleich zu „Anderswelt“ und „Mit Leib und Seele“. Bereits beim tanzbaren Titeltrack wirkt es zum Einstieg so, als ob das Folkkonzept modernisiert wurde und nun im Jahr 2011 angekommen ist, ohne dabei seinen teils rohen Charme von früher verloren zu haben. Insgesamt festigt sich der Ersteindruck der Vorabsingle „Hexeneinmaleins“: Nicht jeder Ton sitzt, aber gerade dadurch wirken besonders die diversen Soli weniger glatt gebügelt und durchstrukturiert als auf den Vorgängeralben.
Tracks wie „Der Alchemist“, „Auf hoher See“ und „Schwur“ zünden u.a. aus diesem Grund beim ersten Hördurchgang – unabhängig davon, ob literarische Vorlagen existieren (wie der Herr der Ringe bei „Schwur“). Außergewöhnliche Thematiken sucht man in den Texten um Geschichten, Mythen und Sagen zwar vergebens, doch die musikalische Ausgestaltung ist so simpel wie genial – und vor allem livetauglich. Selbst erklärte Twilightgegner müssen sich bei „Bis zum Morgengrauen“ nicht vor Vampirkitsch oder dergleichen fürchten.
Annas Geigenspiel und Birgits Einsatz an diversen Blasinstrumenten sind qualitativ längst auf einem kaum zu toppenden Niveau. Entsprechend angenehm sind die spanischen Trompeten bei „Bis zum Morgengrauen“ und „Assassine“ als neue Elemente, die genau wie die waschechte Polka „Pakt“ den musikalischen Folkrahmen sprengen und Schandmaul auf neuen Wegen zeigen.

Lediglich „Der Anker“ und „Des Dichters Segen“ fehlt die Power oder die Innovation bzw. der langfristige Aufhänger, um mehr als nette Ergänzungen gesehen zu werden. Zwar gab beim ersterem Bassist Mathias sein Debüt als Co-Texter, doch das allein genügt nicht, um der sehr melancholischen und wohl auch autobiografischen Nummer zum Durchbruch zu verhelfen. Genau wie „Des Dichters Segen“ plätschert sie eher spurlos vorüber. Mit „Rosen“ findet sich im ersten Drittel ebenfalls eine sehr gefühlvolle Nummer, in der Thomas zum ersten Mal wörtlich die Textstelle „Ich liebe dich“ eingebaut hat. Vielleicht etwas zu viel des Guten, denn besonders beim wiederholten Hören fällt das Stück merklich ab.

Mit „Assassine“ und „Mein Lied“ gibt es gegen noch eine schwungvolle Nummer sowie eine Ballade, die besonders langfristig ihren ganzen Charme offenbaren. Im Rahmen der Umsetzung von „Geas Traum“ wählten SCHANDMAUL für das erste offizielle Video eine recht eigenwillige Inszenierung, welche wohl größtenteils der Zusammenarbeit mit Wolfgang Hohlbein und dessen neuestem Werk „Infinity – der Turm“ als Basis geschuldet ist. Ohne literarische Hintergründe wirkt das Video für Schandmaulverhältnisse zu futuristisch und fremd.

Insgesamt präsentieren die Mäuler mit „Traumtänzer“ allerdings ein weiteres starkes Album. Die Auszeit hat den Musikern merklich gut getan und ist anderen Vertretern in diesem Genre vielleicht auch zu empfehlen. Jedenfalls würde man sich besonders im Folkrock-Bereich mehr von dieser schwungvollen, echten und vor allem lebensfrohen Musik wünschen.

Wertung: 8 / 10

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