Review Shame – Songs Of Praise

Wer Charlie Steens erste Worte auf dem Opener von „Songs Of Praise“ hört, kann unweigerlich auf die britische Herkunft der Post-Punk-Band SHAME schließen. Aber auch sonst kombinieren die Jungs aus dem Süden Londons gekonnt verschiedene, eher dem Vereinigten Königreich zuzuordnende Musikstile zu einer ziemlich coolen und kurzweiligen Melange.

In der einen Minute ist es Punk, im nächsten Moment fühlt man sich durch die verhallten Gitarren und gesprochenen Vocals an den 80er-Jahre-Wave und Joy Division erinnert. Diverse Takte später folgt eine Hookline, von deren Ohrwurmcharakter manche Britpop/-rock-Bands nur träumen können – manchmal schon fast ein bisschen Indie, aber ohne zu nerven oder sich anzubiedern. Dabei sind die Musiker auch recht versiert an ihren Instrumenten unterwegs und sowohl das Songwriting als auch die Arrangements gestalten sich über die komplette Albumlänge abwechslungsreich. Textlich bleibt man von klassischen Punkparolen oder sogar -plattitüden verschont: So geht es auch mal um soziale Missstände, phasenweise fast poetisch verpackt, aber vor allem um das Leben selbst, mit all seinen Tücken und Perspektiven – mal geschrien, mal gesungen oder sogar gesprochen, aber immer authentisch dahingerotzt und irgendwie dreckig.

Der Opener „Dust On Trial“ ist auf jeden Fall ein Highlight und wartet in den Strophen mit monotonem Sprechgesang und ordentlich effektbeladenen Gitarren auf. Wave und Post-Punk im besten Sinne. Im Chorus ändert sich jedoch dieser Eindruck: Steen schreit sich die Seele aus dem Leib, die Gitarren werden fetter und noisiger und hier und da blitzt ein düsterer Synthesizer-Drone auf. Schönes Ding und vielleicht der härteste Track auf „Songs Of Praise“. Auch die Produktion überzeugt in jeder Hinsicht – ausgewogen, präsent, aber nicht zu clean. Im weiteren Verlauf wird die Geschichte erst einmal etwas zugänglicher, einige Songs sind echt Ohrwürmer mit Single-Qualitäten („One Rizla“) oder bestechen durch einen Pub-Mitgröhl-kompatiblen Chorus wie „Concrete“.

Der Punk von heute, der die dreckige Seite von SHAME schätzt, könnte sich aber auch am Indie-Charakter der genannten Songs stören. Ihr Händchen für Melodien ist allerdings durchaus bemerkenswert. „The Lick“ ist dann eine echte Überraschung, geht tempomäßig wieder vom Gas runter und wirkt schon fast wie ein Poetry Slam auf Blues-Gitarre – sehr atmosphärisch und unterstreicht den schönen Spannungsbogen von „Songs Of Praise“ bis hierher. „Donk“ ist ein knackiger und wütender 100-Sekünder, auf den mit „Gold Hole“ ein weiteres Highlight folgt: großartig geshouteter Chorus, 1 A Twang-Gitarre, das fetzt schon schön. Ist aber vom Text her ein kleines bisschen vulgär („She feels so dirty, she knows that it’s wrong. But she feels so good in Louis Vitton“). Im balladesk anmutenden „Angie“ schwingen die Jungs nochmal so richtig gekonnt die Britpop-Keule und präsentieren einen unwiderstehlichen Chorus – ein wirklich würdiger Abschluss für die Platte.

„Songs Of Praise“ (der Name könnte entweder von der langjährigen BBC-Serie, die wohl wie kaum eine andere das spießige und spaßbefreite Great Britain repräsentiert, kommen – oder auch durch das gleichnamige The-Adicts-Album von 1981 inspiriert sein) ist das tolle Debüt einer Band, von der man in Zukunft zu Recht noch ein bisschen was hören wird. Ein zeitgemäßes, cleveres und irgendwie typisch britisches Album für die Momente, in denen The Cure zu wenig Eier haben und Killing Joke etwas zu hart ist.

Wertung: 7.5 / 10

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