Review Shearwater – Animal Joy

  • Label: Sub Pop
  • Veröffentlicht: 2012
  • Spielart: Entmetallisiert, Indie Rock

Die Zeiten, in denen man sich durch die Optik eines Albums zum Kauf verleiten ließ, dürften dank Onlineshopping und mp3-Downloadportalen endgültig vorbei sein – umso schöner ist es, zu sehen, wenn Künstler sich nichts desto trotz nach wie vor Mühe mit dem Layout ihrer CDs machen. So wäre „Animal Joy“ von SHEARWATER mal wieder eines jener Alben, die ich allein der künstlerischen Gestaltung wegen zur Abspieltheke getragen hätte. Da jedoch auch die Zeit der Abspieltheke abgelaufen ist, fügt sich hier logisch eins ins andere… Für die jüngeren Leser sei an dieser Stelle kurz der Begriff Abspieltheke erklärt: An dieser standen seinerzeit im Musikladen CD-Player oder gar Plattenspieler, an welchen man sich von einem Servicemitarbeier den gewünschten Tonträger zum antesten einlegen lassen konnten. Das war vielleicht nicht so praktisch wie der Amazon-Musik-Sampler oder ein Youtube-Albumstream, dafür aber stilvoll. Und schön.

Warum ich ausgerechnet hier und jetzt in fast schon nostalgischen Erinnerungen schwelge? Weil „Animal Joy“ nicht nur durch sein Cover, das Backcover und die Innengestaltung des Digipacks, die der Online-Shopper vielleicht nie zu Gesicht bekommt, entscheidet er sich für den Kauf eines mp3-Albums, zu begeistern gewusst hätte, sondern weil das Album auch musikalisch besser in einen bis in den hintersten Winkel mit Hingabe und Liebe zur Musik gefüllten CD-Laden gepasst hätte, als in ein steriles Online-Angebot.
Was Multiinstrumentalisten und -talent Jonathan Meiburg und seiner Band auf dem mittlerweile siebten SHEARWATER-Album präsentieren, ist nämlich, metaphorisch betrachtet, selbst genau das: Bis in den hintersten Winkel mit Hingabe und Liebe zur Musik gefüllt.
Wie man es schon von den letzten Werken der Texaner gewohnt ist, wurden hier erneut elf Songs zusammengestellt, welche leicht genug sind, als dass man sie auch mal nebenbei im Auto oder auf der Liegewiese im Freibad genießen kann – die jedoch andererseits so viel Tiefgang und Detailverliebtheit aufweisen, dass man sich Stunden um Stunden darin verlieren könnte: Mehr noch als auf dem Vorgänger „The Golden Archipelago“ legt Maiburg hier sein Augenmerk auf bis ins kleinste Detail ausgefeilte Arrangements. Hier ist kein Ton sich selbst überlassen, kein Geräusch oder Klang zufällig so, wie er ist. Das allein macht jedoch noch lange kein gutes Album aus – die Wahre Kunst, die Maiburg so vollendet beherrscht, ist, dabei den Blick aufs große Ganze nicht zu verlieren, sich nicht zu verkünsteln, sondern bei aller Kontrolle über die Musik diese nie zu bevormunden, ihr durch zwanghaften Perfektionismus die Luft zum schwingen zu nehmen.
Gemessen an dem Meisterwerk, welches der Vorgänger unbestritten darstellt, hat „Animal Joy“ es dabei zunächst nicht ganz einfach – war „The Golden Archipelago“ doch merklich eingängiger und konnte mit Ohrwurm-Hits wie „Black Eyes“ gleich beim ersten Durchlauf begeistern.Zwar finden sich Songs dieser Klasse auch auf „Animal Joy“ (als Beispiel sei hier gleich der Opener, „Animal Life“ genannt) – im Großen und Ganzen ist das Album jedoch etwas introvertierter und ernster als der Vorgänger: So dauert es hier etwas länger, bis sich die Favoriten wie „You As You Were“ mit seiner so kraftvollen wie bezaubernden Gesangslinie herauskristallisiern – im Gegenzug hat das Album jedoch auch einen Tick mehr Potential, sich beim Hören weiterzuentwickeln.

„Animal Joy“ ist eines jener Alben, die sich von Hördurchgang zu Hördurchgang weiter entfalten wie eine Blume in der Morgensonne – und so einige Zeit brauchen, bis dem Betrachter respektive Hörer ihre volle Pracht offenbaren. Das soll bei leibe niemanden Abschrecken oder so klingen, als könnte man an „Animal Joy“ erst nach einer einjährigen, harten Einarbeitungsphase Freude haben – sondern viel eher die feinen Nuancen, in denen sich das Album vom schlichtweg genialen Vorgänger abhebt, herausarbeiten. Wer die Band zu schätzen weiß, oder allgemein für Musik mit Herzblut und Hingabe zu begeistern ist, sollte hier definitiv zugreifen.

Anspieltipp: „Animal Life“

Wertung: 9 / 10

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