Review Sodom – Masquerade in Blood

  • Label: Steamhammer
  • Veröffentlicht: 1995
  • Spielart: Thrash Metal

Wollen wir gar nicht erst um den heißen Brei herumreden: Die 1995er-Scheibe „Masqerade in Blood“ stellt ohne Zweifel einen Tiefpunkt in der Laufbahn der Ruhrpott-Thrasher SODOM dar, und das sowohl in musikalischer als auch in personeller Hinsicht. Konnte der Rausschmiss des für viele einzig wahren SODOM-Drummers Chris Witchhunter ein paar Jahre zuvor mit dem hochtalentierten „Atomic Steif“ ziemlich gut kompensiert werden, so ähnelte der Gitarrenposten gewissermaßen schon seit den Anfangstagen der Band auf kurz oder lang einem Schleudersitz. Nachdem Andy Brings, der heutzutage in erster Linie mit radiotauglichem Gitarrenpop Aufmerksamkeit sucht, aus der Band gegangen wurde, haute auf „Masquerade in Blood“ ein gewisser Strahli in die Saiten. Dass der unbekannte Herr bald nach den Albumaufnahmen in den Knast wanderte und danach ins Nirgendwo verschwand, war wohl auch für Steif letzten Endes Grund genug, den Drumhocker zu räumen und Tom Angelripper den Rücken zu kehren. Dass man mit Thrash Metal, wie ihn SODOM seit „Persecution Mania“ zelebrierten, Mitte der Neunziger auch keinen Blumentopf mehr gewinnen konnte, kommt dabei als erschwerende Startbedingung hinzu.

Doch kommen wir nun zum eigentlichen Kern dieser Rezension. Der erste visuelle Eindruck des Albums ist im Grunde vielversprechend – das Cover zeigt den Knarrenheinz, das Bandmaskottchen, wie er eine High Society-Party mit blutrot maskierten Anzugträgern sprengt und die beiden politischen Schwergewichte Helmut Kohl und Boris Jelzin in den Würgegriff nimmt, während im Hintergrund durch die Fensterfront eine blutige, kriegerische Feuerhölle erkennbar ist. Leider war auch in den Neunzigern der Inhalt einer CD längst wichtiger als die Aufmachung und so wandern beim Hören die Mundwinkel mit jedem Song ein Stückchen weiter Richtung Kniekehlen, bis sie nach dem letzten Song vollends auf Halbmast stehen.

Das mag etwas hart klingen, denn an und für sich ist es ein ordentliches Album, aber von SODOM war und ist man deutlich besseres gewöhnt. Während die erste Nummer, auch gleichzeitig Titeltrack, noch ganz überzeugend im Midtempo daherkommt und sich zum Refrain hin in einen Knüppler verwandelt, so rumpelt der Rest der Scheibe fast ausnahmslos durch die Belanglosigkeit. Wenn Strahli mit seinem Gitarrensound auch ein brutal fettes Brett auffährt, so klingt die Produktion insgesamt durchweg verwaschen, dem Album fehlt allerdings der räudige Charme und Kultstatus der früheren, wegweisenden Werke, um beim Hörer mit so einer dürftigen Performance durchzukommen. Gesangstechnische Ausflüge in den Death-Bereich („Gathering Of Minds“, „Braindead“) helfen da genauso wenig wie die Tatsache, dass mit Steif quasi der (zumindest zu der Zeit) deutsche Dave Lombardo hinter der Schießbude sitzt und seine Thrash-Salven zu uninspiriertem Geschredder abfeuert. Eine nicht geringe Zahl der Tracks ist wiederum eher rockig angehaucht und kommt mit einem rotzigen, punkigen und definitiv auch sympathischen Spirit rüber („Fields Of Honour“, „Shadow Of Damnation“). Unter Strich klingt es allerdings, als versuche man, stilistisch neue Wege einzuschlagen und den Zeitgeist zumindest am Rande zu berücksichtigen, ohne dabei jedoch genau zu wissen, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Kein Wunder also, dass die Nummern dieses Langeisens bei Konzerten sehr stiefmütterlich behandelt oder auch gänzlich ignoriert werden.

Wie auch schon zuvor versuchen sich SODOM auch auf diesem Album an deutschen Texten. Wer allerdings lustige Songs mit dem prolligen Humor von „Wachturm“ und „Die stumme Ursel“ oder auch epischeren Stoff mit der lyrischen Erhabenheit des späteren „Schwerter zu Pflugscharen“ erwartet, läuft Gefahr, enttäuscht zu werden. „Verrecke!“ und „Mantelmann“ wirken allerhöchstens unfreiwillig komisch. Tom keift „Doch seid gewarnt, ich komme wieder, mit euch im Wald zu munkeln“. Nee du, bleib‘ mal lieber im Pott, denkt sich der geneigte Hörer da lediglich. Am Ende bleibt ein für SODOM-Verhältnisse sehr durchwachsenes Album, das mit „Masquerade in Blood“ und „Unwanted Youth“ immerhin ein paar Lichtblicke bietet, vor dem Hintergrund der Banddiskografie aber getrost vernachlässigt werden kann. Dass SODOM eigentlich in einer anderen Liga spielen, haben sie mit den darauffolgenden Outputs bewiesen, für die Onkel Tom auch eine nie dagewesene Stabilität ins Lineup bringen konnte. Für „Masquerade in Blood“ gilt jedoch: nur für eingefleischte SODOManiacs wirklich relevant.

Wertung: 5 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert