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Review Spiritbox – Tsunami Sea

Wenn es um Metal im modernen Gewand geht, führt aktuell kein Weg an SPIRITBOX vorbei. Spätestens seit dem 2021er Full-Length-Debüt „Eternal Blue“ konsequent auf dem Weg nach oben, haben die Herren um Powerfrau Courtney LaPlante den Fans mit den großartigen beiden EPs „Rotoscope“ (2022) und „The Fear Of Fear“ (2023) den Mund mehr als wässrig gemacht. Mit „Tsunami Sea“ steht nun endlich das heißersehnte zweite Album in den Startlöchern.

Schon der Opener „Cellar Door“ von der 2023er EP zeigte eine gewisse Evolution in der Musik von SPIRITBOX, war die Nummer doch bretthart und ließ die beinahe obligatorische, melodische Hookline vermissen. Dasselbe gilt für die etwas sperrige Vorabsingle des vorliegenden Albums, „No Loss, No Love“, welche mit einer schräg-elektronischen Spoken-Words-Passage aufwartet. Und auch die ersten Takte von „Fata Morgana“, dem Opener von „Tsunami Sea“, wirken subjektiv härter als das Vorgängermaterial.

Aber der Eindruck täuscht: Vielmehr versucht sich das Quartett an der Gratwanderung, neue Fans zu gewinnen, ohne die alten gleich zu vergraulen. Und das funktioniert auf manchen Ebenen ziemlich gut, auf anderen wiederum nur bedingt. Soll heißen: Während besagte Passagen und Songs (hier sei auch das angenehm kompakte „Soft Spine“ erwähnt) wirklich härter als viele der älteren Tracks sind, fallen andere Stücke wie „Crystal Roses“ oder auch der Albumcloser „Deep End“ spürbar aus dem Rahmen.

Grundsätzlich bleiben SPIRITBOX ihrer Grundrezeptur allerdings treu. Tendenziell harte Strophen geben sich mit tendenziell melodischen Choruspassagen die Klinke in die Hand – beides in den meisten Fällen auf songwriterisch hohem Niveau. Das machen natürlich viele andere Bands ähnlich, allerdings haben die US-Amerikaner wirklich ein Händchen für frisch klingende Melodien mit Ohrwurmcharakter, bei denen man nicht das Gefühl hat, sie schon tausendmal gehört zu haben. Das ist dann auch mal ein kleines bisschen cheezy, wirkliches Fremdschämen bleibt jedoch aus.

Die melodischeren Songs wie der Titeltrack, „Perfect Soul“ oder „A Haven With Two Faces“ wissen durch die Bank zu gefallen und bleiben, SPIRITBOX-typisch, auch länger im Ohr hängen. Wie auch schon auf „Eternal Blue“ zeigen die Musiker keine Berührungsängste mit genrefremden Elementen: Elektronisches Beiwerk wie Synthesizer oder Breakbeats ist quasi allgegenwärtig, LaPlantes Stimme klingt oftmals schon auch stark bearbeitet – was dahingehend verzeihbar ist, dass die Sängerin die Wechsel zwischen dämonischen Growls und zuckersüßem Gesang live problemlos meistert. Sogar der Vocodereinsatz in „Black Rainbow“ nervt weniger, als man eigentlich vermuten würde.

Etwas befremdlich kommen „Crystal Roses“ und der bereits angesprochene Albumcloser daher: Während erstgenannter Song wie eine spätneunziger Drum’n’Bass-Nummer à la Roni Size oder Adam F wirkt, klingt „Deep End“ gegen Ende hin wie ein Disney-Song im Modern-Metal-Gewand. Auch wenn man sich irgendwie vorstellen kann, dass das geneigte Publikum das live positiv aufnimmt, muss die Frage erlaubt sein, ob man so etwas von SPIRITBOX wirklich hören möchte. Immerhin versteckt sich mit „Ride The Wave“ zwischen diesen beiden Tracks noch ein kleines Albumhighlight.

Die tontechnische Umsetzung ist genretypisch fett, allerdings wirkt „Tsuami Sea“, wie viele Platten aus dem Modern-Metal- und Metalcore-Bereich, auch ein wenig überproduziert. Da ist im Klangbild halt schon ziemlich viel los, aber es lohnt sich durchaus, auf Akzente und Kleinigkeiten zu achten – es gibt viel zu entdecken, ein gewisser Langzeitspaßfaktor ist sicherlich gegeben. Fans der Band werden „Tsunami Sea“ ohne Frage feiern, und das auch irgendwie zurecht, denn das Album ist unterm Strich schon sehr gut. Trotzdem muss man SPIRITBOX attestieren, dass sich erstmalig minimale Abnutzungserscheinungen bemerkbar machen und die Fortsetzung der bisher kontinuierlichen Qualitätssteigerung bis zum gewissen Grad ausbleibt.

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Wertung: 7.5 / 10

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