Review Suicide Forest – Reluctantly

  • Label: Avantgarde
  • Veröffentlicht: 2021
  • Spielart: Black Metal

Um den japanischen Aokigahara-Wald ranken sich allerlei schaurige urbane Mythen. Viele Menschen bereisen den in der Präfektur Yamanashi gelegenen Nationalpark nämlich nicht als Touristen, sondern um sich dort im tiefsten Dickicht des Baummeers das Leben zu nehmen – ein beklagenswerter Umstand, der in den Unterhaltungsmedien des globalen Westens leider oft auf reißerische, romantisierende oder unsensible Weise aufgegriffen wird. Auch zahllose Musiker hegen eine morbide, häufig verklärende Faszination für Aokigahara – insbesondere (und wenig überraschend) im Depressive Black Metal. Shining haben dem „Selbstmordwald“ schon einen Song gewidmet, Harakiri For The Sky sogar ein ganzes Album und wonach A. Kruger seine Ein-Mann-Band SUICIDE FOREST benannt hat, ist wohl offensichtlich. Mit „Reluctantly“ hat Letzterer sein zweites Album veröffentlicht.

Wer mit dem trübsinnigen Schaffen gleichgearteter Projekte wie Xasthur und Leviathan vertraut und der Verlockung des Todes dennoch nicht erlegen ist, kann SUICIDE FOREST wohl unbesorgt Gehör schenken. Mit seinem recht genretypischen Sound ist „Reluctantly“ nämlich gewiss keine größere Bedrohung für den eigenen Lebenswillen als die genannten oder beliebige andere Depressive-Black-Metal-Interpreten. Nichtsdestotrotz kreiert der amerikanische Einzelkünstler darauf mit den in seiner Musikrichtung gebräuchlichen Stilelementen ein durchaus eindringliches Hörerlebnis.

Sowohl der gequälte Schreigesang als auch die monotonen, bedrückenden, manchmal geradezu beißenden Tremolo-Riffs und Drums sowie die unheilverkündenden Clean-Gitarren bringen durchwegs ein Gefühl tiefster Hoffnungslosigkeit zum Ausdruck. Weitere Facetten der emotionalen Schwärze, die das Album durchdringt, bildet SUICIDE FOREST durch das schräge, rastlose Gitarrensolo in „As The Light Fades Pt. I“ und die ominösen Keyboards in „Trembling In Emptiness“ ab.

Was „Reluctantly“ vielen stilistisch vergleichbaren Veröffentlichungen sogar voraushat, ist seine zwar ziemlich rohe, aber nicht zu kratzig oder dünn klingende Produktion, die die immense Gefühlsschwere der bis zu zwölf Minuten langen Stücke unterstreicht. Einzig das dumpf vor sich hindröhnende Zwischenspiel „Remorse“ und die gelegentlich etwas hölzern anmutende Performance verhindern ein vollkommenes Eintauchen in die lichtlose Atmosphäre, die SUICIDE FOREST im Zuge der Platte heraufbeschwört.

„Reluctantly“ ist alles in allem ziemlich genau das Album, das man von einem Musikprojekt namens SUICIDE FOREST erwarten würde. Depressive-Black-Metal-Bewanderte werden die dreiviertelstündige Platte vermutlich nicht als Offenbarung wahrnehmen. Die Kombination aus weitgehend effektivem Songwriting, ein paar herausstechenden Parts wie dem Solo in „As The Light Fades Pt. I“ sowie der angemessen rauen Produktion gibt jedoch ein kohärentes Gesamtbild ab, das so nicht jeder Band dieser Musikrichtung gelingt. Wer es sich zutraut, in Gedanken seelische Untiefen unbeschadet zu durchwaten, bekommt von SUICIDE FOREST einen ungeschönten Blick auf einen solchen Abgrund geboten.

Wertung: 7.5 / 10

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