Review TAV – I

Wenn es um obskure Musik geht, hat kaum jemand mehr Expertise als Ván Records. Mag auch nicht jede Band im Roster stets ins Schwarze treffen, so finden sich darin doch zahlreiche visionäre Musikprojekte wie etwa Urfaust oder The Ruins Of Beverast. Dass das renommierte Label das schlicht „I“ betitelte Debüt seines deutschen Neuzugangs TAV mit einem schwammigen Begriff wie „Atmospheric Rock“ versieht, macht daher durchaus neugierig. Wie außergewöhnlich muss dieses Album sein, wenn selbst eine derart erfahrene Underground-Plattenfirma es nicht in ein konkretes Genre einzuordnen vermag? Ganz so bahnbrechend ist die Musik der anonym agierenden Band, wie sich beim Hören herausstellt, aber doch nicht: Eigentlich spielen TAV nämlich weitgehend konventionellen Post-Rock.

Nun ist an Genre-Konformität grundsätzlich nichts auszusetzen – schließlich ist es schon vielen Ván-Bands wie etwa Árstíðir Lífsins oder Svartidauði gelungen, mit gängigen Stilmitteln etwas Besonderes zu schaffen. So scheinen anfänglich auch TAV das ihnen von der Musikrichtung vorgegebene klangliche Spektrum effektiv in Szene zu setzen. Im Opener „Boundless Gaol“ geht es von einem spacig dröhnenden Intro über reduzierte Rhythmen, stimmungsvoll perlende Clean-Gitarren und klagenden Gesang hin zu einem Schwall an griffigen Riffs und Drums.

Die Hoffnung, auf „I“ etwas noch nie Dagewesenes dargeboten zu bekommen, hat sich zwar spätestens hiernach in Luft aufgelöst, stimmig ist dieser Auftakt jedoch allemal. Interessante Ansätze lassen TAV auch später noch hin und wieder durchscheinen – etwa die zeremoniell anmutenden Perkussionen am Beginn und Ende mancher Tracks, den Blast-Beat-Ausbruch in „Silken Slumber“ und die eine oder andere schöne Melodieführung. Zwischen diesen kurzen Momenten eines kreativen Aufblitzens liegen jedoch kleine Ewigkeiten. Die zwischen sieben und elfeinhalb Minuten langen Tracks lassen die Gesamtlaufzeit von knapp einer Stunde mit ihrem monotonen Aufbau leider überhaupt nicht wie im Flug vergehen.

Während etwa die ausgedehnten Spannungsbögen ihrer japanischen Genre-Kollegen Mono zwar einiges an Geduld erfordern, diese jedoch mit packenden Auflösungen belohnen, beenden TAV ihre Songs, ohne vergleichbar starke Eindrücke zu hinterlassen. So kraftvoll und organisch die Stücke auch klingen mögen, eine wirklich mitreißende Atmosphäre will doch nie so recht aufkommen. Dass der überaus präsente, schwermütige Gesang allzu eindimensional daherkommt und auf Dauer übertrieben wehleidig wirkt, lenkt zudem von den paar Vorzügen der Instrumentierung ab.

Alles in allem ist „I“ leider weitgehend enttäuschend. TAV machen darauf kaum etwas anders als andere Post-Rock-Bands und schöpfen auch die Möglichkeiten des Genres bei weitem nicht aus. Ihre Instrumente spielen die Deutschen durchaus akkurat, die gut abgerundete Produktion der Platte kann sich hören lassen und vereinzelt scheint TAV beim Songwriting doch ein Licht aufgegangen zu sein. All dies kann jedoch nicht kompensieren, dass sich das Album furchtbar in die Länge zieht und man Song um Song vergebens auf spannende Entwicklungen oder ein lohnendes Finale wartet. Selbst eingefleischte Post-Rock-Fans werden wohl nur wenig mit „I“ anzufangen wissen.

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Wertung: 4.5 / 10

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