Review Teho Teardo & Blixa Bargeld – Nerissimo

Schwarz, schwärzer, nerissimo. Den italienischen Superlativ für schwarz haben Einstürzende-Neubauten-Frontmann Blixa Bargeld und Filmmusik-Komponist Teho Teardo auf ihrer zweiten gemeinsamen Platte zum Motto erhoben. Denn mit schwarz – so will es der Pressetext des Labels – sei mitnichten dunkel gemeint. So wie schwarz alle erdenklichen Farben enthalte, solle auch die Musik unzählige Möglichkeiten bieten. Oder so ähnlich.

Tatsächlich nämlich krankt „Nerissimo“ an seiner Gleichförmigkeit. Streicher, Streicher und nochmal Streicher. Hier unterlegen sie Bargelds Worte mit einem süßlichen Klangteppich, dort tapsen sie wie Katzenpfötchen im Pizzicato durch das Klangbild. Ab und zu gesellt sich eine Klarinette oder ein verhaltenes Xylophon hinzu. Nur selten verlassen die Kompositionen die harmonische Komfortzone, nur selten sorgt eine Disharmonie für Spannung. Das ist schön anzuhören, hat beinahe etwas Meditatives – ist am Endes des Tages aber einfach viel zu nett.

Denn wer an Blixa Bargeld denkt, der denkt doch zuerst an den schmächtig-sehnigen, hinterlistig-zynisch krakeelenden Quecksilberdämon aus den frühen Neubauten-Zeiten. Von ihm ist hier nichts mehr übrig. Sicher, diesen Satz könnte man so auch über jede Neubauten-Platte der letzten 25 Jahre schreiben. Doch während Nummern wie „Stella Maris“ oder „Sabrina“ als fein ziselierte lyrische Kabinettstückchen durchgehen, wirkt Bargeld mit seinen eigenwilligen Chiffren auf „Nerissimo“ über weite Strecken wie ein verquaster Intellektueller, Adresse: Elfenbeinturm.

Kleines Beispiel gefällig? Ulgæ (A Micro-Biological Opera). Ulgae ist die Königin eines kleinen Königreichs in einer Petrischale. Dort sitzt die einsame, bemitleidenswerte Fürstin auf ihrem Thron und wartet auf einen Helden. Und der tritt auch prompt in Erscheinung, als plötzlich ein außerirdisches Flugobjekt abstürzt und im Königreich landet. Schlussendlich jedoch entpuppt sich der Held als Thronräuber. Die aufgewühlten Bakterienkulturen quieken und quaken wie Lemminge. Dazu schrille Geigen-Läufe.

Dass es auch zugänglicher, emotionaler, besser geht, beweist die einfühlsame Erbauungsghymne „Ich bin dabei“, deren ermutigende Zeilen sich bereits nach wenigen Durchläufen im Kopf festkrallen. „Ich setz dich wieder ein in deine alten Rechte. Als Königin, als König, als beides. Ich bin dabei. Mach das Dunkel besser leuchten. Ich bin dabei.“ Dazu eine verhältnismäßig eingängige, im Albumkontext fast rockige Begleitung. Toll! So hätte man sich auch den Rest der Platte gewünscht.

Doch daraus wird nichts. „Nerissimo“ ist das musikalische Äquivalent zu einem mittelmäßigen Arthouse-Film. Jede Idee ist hochtrabend und bedeutungsschwanger. Der Ausdruck von Gefühlen jedoch verharrt auf der Metaebene. So hinterlässt „Nerissimo“ einen schalen Beigeschmack, spricht zu häufig den Kopf, zu selten aber das Herz an. Grau in Grau statt Schwarz in Schwarz.

Wertung: 4.5 / 10

Publiziert am von Nico Schwappacher

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