Review Tomas Bodin – I Am

Jeder, der sich nur einigermaßen ernsthaft mit der Materie des Progrocks auseinandersetzt, stolpert einmal über die Flower Kings und ihren begnadeten Tastenmagier TOMAS BODIN. Das jener neben seiner Haupttätigkeit bei den Blumenkönigen auch schon einige Soloalben veröffentlicht hat, mag hingegen bisher etwas untergegangen sein. Dies mag mitunter daran liegen, dass die Alben „An Ordinary Night In My Ordinary Life“ (1996), „Pinup Guru“ (2002) und „Sonic Boulevard“ (2003) bisher alle rein instrumentaler Natur waren. Mit seinem vierten Album „I Am“ wagt sich Bodin hingegen erstmals auf anderes Terrain. Es stellt eine hochkomplexe Progrock-Oper dar, bei der er auf gleich drei Gesangsstimmen zurückgreift. Wie bei Flower Kings-Sideprojects schon fast üblich, ist Jonas Reingold am Bass wieder mit dabei. Ebenso ist dies das Studiodebüt des neuen Flower Kings Drummers Marcus Liliequist.

Mit seinem neuen Album hat Tomas Bodin ein kleines Meisterwerk hinterlassen, welches den geneigten Hörer allerdings vor einige Herausforderungen stellt. Lässt sich das Werk stilistisch zwar klar im Progrock einordnen, so passiert doch soviel mehr auf „I Am“, als dass man es damit abtun könnte. Das Album beinhaltet nur 3 Tracks, jeweils um die 20 Minuten lang, die dem Hörer mit ihrem wilden Stilmix alles abverlangen. Da gibt es oft minutenlange, lyrische Passagen, nur von sanftem Piano und zartem Gesang vorgetragen, die unerwartet in Jazz oder Blues umschlagen. Des öfteren wird man auch von scheinbar deplaziert angeordneten Hardrockriffs aus dem Träumen gerissen. Symphonisch klingt man dabei über die gesamte Spieldauer. Glücklicherweise hat man es hervorragend geschafft, sich von dem charakteristischen Flower Kings Sound deutlich zu lösen, was anderen Sideprojects der Bandmitglieder nicht immer gelungen ist. Eine weitere kleine Hürde ist vielleicht der Gesang von Hauptsänger Anders Jansson, der mit seiner Performance eine absolute Spitzenleistung abliefert – er wechselt zwischen warmen, fast gehauchten Passagen, der „normalen“, erhabenen Progrock-Stimme, rauem Hardrockgesang und sehr hohen Parts. Diese hohe Variabilität verspricht zusammen mit den schönen, gelegentlich eingesetzten Background- bzw. Duettsängerinnen vielseitige Stimmungen und große Abwechslung. Insbesondere in den „rotzigeren“ Teilabschnitten scheint Jansson auf den ersten Blick bzw. Hördurchgang jedoch des Öfteren mal einen Halbton daneben zu liegen. Diese Tatsache, die am Anfang je nach Geschmack des Hörers sehr störend wirken kann, entwickelt nach gewisser Zeit eine sehr große Anziehung, so dass ich fast geneigt bin, zu sagen, dass dies ein mit Absicht eingebauter Effekt ist.

Kompositorisch gibt es, hat man sich der Stimmung des Werkes erst einmal geöffnet, nichts auszusetzen. Stets hält man die Balance zwischen den einzelnen Stilen, die Verbindungen ergeben mehr und mehr Sinn. Geschickt nimmt man Themen und Motive im späteren Verlauf eines Songs wieder auf, in „A“ zitiert man in etwa bei Minute 11 sogar kurz den Flower Kings Song „The Truth Will Set You Free“, nachdem man eben jene Zeile von Jansson auch vernommen hat. Das sorgt während des Hörens immer wieder für „Aha-Effekte“. Die Soundwahl von Tomas Bodin ist bleibt eine der geschmackvollsten des Genres. Kaum ein Keyboarder ist hier vielseitiger.

Da es sich bei „I Am“ um ein Konzeptalbum handelt, sollte auch auf den lyrischen Inhalt etwas eingegangen werden. Das Album beschäftigt sich, so Tomas Bodin, mit der Lebenszeit der Menschen auf der Erde, ihren Erfahrungen, Erlebnissen und auch Enttäuschungen. Dabei werden auch philosophische und religiöse Themen, wie die Frage nach der Wiedergeburt und dem Sinn des Lebens behandelt.

Hat man dieses Werk dann einmal in seiner ganzen Schönheit und Erhabenheit erfasst, so bleibt nichts anderes zu sagen, als dass es eine Ode an das Leben mit all seinen Seiten ist. Natürlich lässt sich so etwas nie und nimmer musikalisch einfangen, aber dieser Versuch hier darf durchaus als gelungen und äußerst tiefgehend bezeichnet werden.

Wertung: 8.5 / 10

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