Review Tristania – Beyond The Veil

Ich kann mich noch recht gut erinnern, wie die CD ihrerzeit promotet wurde. Kräftig und laut wurde ins Horn geblasen, um die Käuferscharen anzuziehen. Von der besten Gothic-CD aller Zeiten war die Rede, die Chöre wurden als majestätisch gelobt, den Liedern eine einzigartige Atmosphäre nachgesagt. Gut, das ist mittlerweile über sieben Jahre her, aber da TRISTANIA erstens immer noch, wenn auch in ziemlich abgeändertem Line-Up, aktiv sind und zweitens gerade mal wieder ein Album auf den Markt schmeißen, schadet eine Überprüfung dieser (Vor-) Urteile sicher nicht.

Der Blick in die Trackliste verrät schon einmal, dass die meisten Songs durchaus recht lang sind, im Schnitt sind es über sechs Minuten, nur die hinteren Songs sind etwas knapper gehalten. Das ist schon mal gut, denn wer mit den Elementen wie Chören, Akustikpassagen und heftigen Ausbrüchen spielt wie TRISTANIA in diesem Fall, sollte sich schon Zeit nehmen, um den Songs die entsprechende Entfaltung zu geben. Lang ist ja keineswegs die Kurzform von langweilig, zumindest nicht zwangsläufig.

1Ein erstes Reinhören dürfte viele, die mit großen Erwartungen an die Sache herangehen, zunächst einmal nicht gerade begeistern. Eingängig ist sicher was anderes, aber mit vielen Instrumentierungen und Melodien voll gepackte Lieder offenbaren sich mitunter erst mit der Zeit. Die ersten Dinge, die dem geneigten Hörer auffallen, sind tatsächlich die Chöre, welche gleich beim Opener und vor allem beim Drittling „A Sequel Of Decay“ positiv auffallen. Hier liegt sicher die prägnantste Veränderung gegenüber dem Vorgänger „Widow`s Weeds“, wenngleich dieses in manchen Szenekreisen als ein „Referenzwerk des Gothics“ doch deutlich überbewertet ist.

Gibt man der CD ein paar Durchläufe, zeigt sich, dass „Beyond The Veil“ auch durch andere Dinge zu glänzen vermag. Der Opener und gleichzeitige Titeltrack ist tatsächlich eine kleine Hymne, das rauere „Aphellion“ überzeugt in fast acht Minuten durch viel Aggression, Atmosphäre und einem schönen Wechselspiel von flotten und langsamen Parts. Für Gothic-Verhältnisse ist der Gesang schon ziemlich hart, was in diesem Fall aber einen schönen Kontrastpunkt zu den eher getragenen Parts des Albums darstellt. Zu diesen beiden Songs gesellt sich in meiner persönlichen Hitliste auf jeden Fall das bereits angesprochene „A Sequel Of Decay“, was man, wenn man es denn will, als die Ballade der CD bezeichnen kann, auch wenn die typischen Trademarks (z.B. basierend auf akustischen Gitarren, „schmachtvollem“ Gesang, noch weiter erhöhter orchestraler Einsatz usw.), welche Bands in diesem Genre gerne anwenden, nicht unbedingt im Übermaß gegeben sind. Eine eher „klischeefreie“ Halbballade, mit Sicherheit aber einer der stärksten Tracks des Albums.

Wer vor dem Lesen der Review schon mal leicht in Richtung Bewertung gespinxt hat (so etwas tut man ja ganz gerne mal), fragt sich jetzt vielleicht, wie die Punktzahl mit dem bisherigen Text korrespondieren mag. Ganz einfach, vermutlich aus Gründen von (Label-) Politik wurden die besten Lieder gleich zu Beginn verbraten, nach Song Nummer drei kommt nicht mehr viel Spannendes, obwohl man häufig den Eindruck hat, als wenn die gesamte Band hinter der um einen Spalt geöffneten Tür lauert, um alsbald mit einem emotionalen Ausbruch auf den Hörer, der sich vor eben jener Tür befindet, loszuspringen. Dieser Ausbruch erfolgt, wenn überhaupt eigentlich nur noch mit dem sogar zur Single auserkorenen „Angina“, welches wiederum mit feinen Chören (diesmal eher sakral gehalten) und einigen netten Violinenmelodien aus dem Bogen von Pete Johansen (auch bekannt von den Landsmännern, Label- und Genrekollegen The Sins Of Thy Beloved) aufwarten kann. Zuvor gibt es einige Langeweile (ja, lang kann halt auch dies bedeuten), ein einmütiges Instrumental („Simbelmyne“), welches zu Beginn stark an den Soundtrack zu „Twin Peaks“ von Angelo Badalamenti erinnert („Twin Peaks-Theme“) und danach weiteren Leerlauf. Mit „Heretique“ wollte man dabei wohl noch mal der Aggression freien Lauf lassen, bei „Aphellion“ war dies aber wesentlich besser gelungen, das das Album beschließende „Dementia“ ist noch mal eine hauptsächlich instrumentale, in langsamem Tempo gehaltene Nummer, welche den Kohl aber auch nicht mehr fett macht.

Zeit für ein Fazit: dem Album ist das Bemühen um Vielfältigkeit, abwechselungsreiche Lieder und spannende Strukturen anzumerken, aber dies gelingt leider in nur wenigen Fällen. Oftmals vermisst man dieses fesselnde Etwas, diesen Drang, sofort die Repeat-Taste zu drücken, das Gefühl der Leere, welches bleibt, wenn man die CD schließlich aus dem Spieler nehmen muss. Um nicht falsch verstanden zu werden, hier wird nicht überdurchschnittlich schlechte Musik geboten und die Messlatte für den Rest der CD ist nach den ersten drei Nummern schon recht hoch. Außerdem kann der Sound von Terje Refsnes wie immer eigentlich überzeugen (auch wenn man der Scheibe ihr Alter inzwischen anmerkt) und auch das Artwork dürfte zumindest den männlichen Hörern sowie dem aufgeschlossenen weiblichen Publikum durchaus zusagen, für eine höhere Wertung braucht es aber mehr potentielle Hits.

Wertung: 6 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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