Wenn es um Australier geht, die sich den härteren musikalischen Gangarten verschrieben haben, dann wird dem Otto-Normal-Musikverbraucher wohl als Erstes AC/DC einfallen, vielleicht noch die Newcomer von Airbourne, oder halt Power Metal Kapellen der Marke Black Majesty. Danach dürfte es aber auch etwas eng werden, so erfreut sich auch unsere heutige Band eher weniger großer Berühmtheit. Ja, wenn deren Name fällt, dann würde wohl vielen Leuten die gültige Fragestellung für die Jeopardy-Aussage „Diese 1995 gegründete australische Band verknüpft Gothic, düsteren Metal und symphonische Elemente miteinander und brachte 2007 den ersten Teil einer ‚Requiem‘-Trilogie über Massacre Records heraus“ auf der Zunge liegen: Wer ist VIRGIN BLACK?
Beantworten werde ich die Frage jetzt nicht, das hab ich nämlich schon im vorigen Abschnitt getan, also kommen wir doch zur eigentlich wichtigen Sache: Was können die denn so musikalisch? Wie schon angedeutet ist die heute vorliegende Scheibe „Requiem – Mezzo Forte“ der erste Teil einer Trilogie, die anderen beiden sind „Requiem – Fortissimo“ (kam 2008 in die Läden) und „Requiem – Pianissimo“ (soll wohl dieses Jahr noch erscheinen). Und der Titel ist Programm, auf „Fortissimo“ geht’s heftig zur Sache (inklusive unleugbarer Death Metal-Einflüsse, zumindest die Teile, die ich davon hörte), auf „Pianissimo“ wird wohl seeeehr gemäßigt musiziert werden. Und der erste Teil, „Mezzo Forte“, bewegt sich irgendwo dazwischen. Wie schon gesagt, in der Schnittmenge aus Gothic, Doom und Death Metal (wobei zweiterer sich hier sehr stark in Grenzen hält) und einem symphonischen Einschlag. Alles Stilrichtungen, mit denen man bei mir normalerweise gut punkten kann.
Und tatsächlich fühlte der erste Hördurchlauf von „Requiem – Mezzo Forte“ (übrigens auch mein allererster Berührpunkt mit VIRGIN BLACK selbst, ich erstand die CD irgendwann als Blindkauf für kleines Geld in einem Packen mit anderen Scheiben über eBay) sich ungefähr so an wie eine Frontalkolision mit einer Dampfwalze, sprich: Ich war ziemlich platt. Schon in den ersten Sekunden des Openers „Requiem, Kyrie“ hatten die Australier mich da gepackt wo’s weh tut, nämlich an der Kehle. Das Material, mit dem hier gearbeitet wird, ist so unglaublich emotional, so melancholisch, so grundgut, dass ich ziemliche Probleme mit den physischen Grundfunktionen wie Atmen oder Schlucken hatte. Ungesund, aber irgendwo echt nicht schlecht, dass die Musik von VIRGIN BLACK das schafft.
Dabei wird hier am Anfang eigentlich gar nichts metallisches aufgefahren. Viel mehr gibt’s Streicher satt zu hören, die ein feines musikalisches Grundgerüst legen, dazu gesellt sich ein atmosphärischer Chor und – vielleicht auf den ersten Blick etwas unpassend, aber es fügt sich gut ein – ein handelsübliches Schlagzeug. Und dabei bleibt es auch eine ganze Weile (bis zum Einsetzen der ersten weiblichen Solostimme), hier übernehmen die klassischen Elemente das Steuer. Und im Gegensatz zu vielen anderen symphonischen Bands da draußen, die dann nach wie vor Metal spielen und die Fiedel und Artverwandte nur zur Anreicherung dieses Zeugs benutzen, schaffen VIRGIN BLACK es tatsächlich, die Sache umgekehrt anzugehen: Wenn „Requiem – Mezzo Forte“ was ist, dann symphonische Musik mit ein paar Metal-Elementen und nicht umgekehrt.
Wenn das Schlagzeug dann aber mal etwas dominanter wird, wenn der Bass und die verzerrten Gitarren reinkommen… Meine Fresse, das klingt so, als würde hier Gott selbst in die Saiten greifen (wie passend, sind die Herren und die Dame doch tatsächlich christlich geprägt). So zum Beispiel bei „…And I Am Suffering“, bei dem in der zweiten Hälfte reichlich soliert wird, oder aber am Anfang von „Domine“. Von der technischen Seite her sind die Riffs alles andere als anspruchsvoll, aber gemeinsam mit der tollen Abmischung, die die Gitarren einfach richtig… mächtig, richtig lebendig klingen lässt, da entfalten diese doch eher simplen Melodien ihre volle Wirkung. Großartig. Und wie gesagt, trotz allen metallischen Einwürfen klingt das alles hier trotzdem noch mehr nach klassischer Musik als nach echtem Metal.
Dafür verantwortlich sind wohl nicht zuletzt die großartigen Gesangsleistungen von Rowan London und allen anderen beteiligten. Egal ob klarer, opernhafter männlicher Gesang, hohe weibliche Vocals, eher gemäßigtes Death Metal Gegrunze (kriegt man nur selten serviert, bei „Domine“ zum Bleistift) oder die mehr oder weniger omnipräsenten gemischten Chöre, die sich immer wieder in die Kompositionen der Australier verirren. Egal welcher gesangliche Stil hier aufgefahren wird, es klingt immer gut und dank der exzellenten Produktion kommen alle Vocals jederzeit verdammt gut rüber. Die ist sowieso eine ziemliche Wonne, sehr transparent und voll, auch wenn das Schlagzeug ein wenig mehr Druck ganz gut verdient hätte. Aber das ist nur ein kleiner Kritikpunkt.
Und für meine Begriffe auch der einzige. „Requiem – Mezzo Forte“ ist verdammt dicht an der Perfektion dran. Hier treffen großartige Kompositionen auf eine absolut ausgereifte Produktion und wirklich bewundernswerte handwerkliche Fähigkeiten vor allem auf Seiten der Gesangsfraktion. VIRGIN BLACK haben mit den sieben Tracks hier ihren schöpferischen Höhepunkt erreicht (behaupte ich einfach mal, obwohl ich „Fortissimo“ noch nicht ganz gehört habe, aber was ich hörte zieht klar den Kürzeren) und ein absolutes Meisterwerk abgeliefert. Für jeden Fan von symphonischer Musik sowieso ein Muss und auch sonst sehr empfehlenswert für jeden Musikliebhaber, der einfach emotionale Klangkunst zu schätzen weiß. Ach was, empfehlenswert für jeden, basta!
Wertung: 10 / 10