Review Vulpus – Certitude

  • Label: Pest
  • Veröffentlicht: 2017
  • Spielart: Black Metal

Obwohl Black-Metal-Musiker im Allgemeinen als die stilistisch engstirnigsten Künstler aller Metal-Genres verschrien sind, wird gerade in dieser Variante harter Gitarrenmusik außergewöhnlich viel experimentiert. VULPUS aus Portugal haben es sich beispielsweise vorgenommen, Stilmittel alten und modernen Schwarzmetalls mit Noise und Ambient zu kreuzen. Dabei kam schließlich ihr Debüt „Certitude“ heraus, eine im wahrsten Sinne des Wortes ungewöhnliche Platte, auf der sich das Quartett thematisch an die Anomie, also einen Zustand frei von Normen, die Theorie des Absurden von Alberto Camus sowie an den Anthropozentrismus heranwagt.

Lyrisch haben VULPUS somit schon mal die Aufmerksamkeit derer sicher, die von den sonst so typischen Texten über Satan & Co übersättigt sind. Angesichts der interessanten Songtitel und Textzeilen scheinen die Portugiesen der anfänglichen Neugier tatsächlich gerecht zu werden. Doch auch musikalisch ist „Certitude“ wesentlich durchdachter als herkömmliche Post-Black-Metal-Scheiben. Nach dem akustisch und clean eingespielten Intro „Dysphoria“ lassen VULPUS auf dem darauffolgenden „No More Shall I Seek Comfort Amidst These Piles Of Rust“ nicht etwa die schwarzmetallischen Fäuste fliegen, sondern gehen es langsam an. Verheißungsvolle Drums und leise dröhnender Bass bereiten den Auftakt und selbst als die kantigen Screams einsetzen, bleibt ein aggressiver Ausbruch vorerst zugunsten stimmungsvoller, mysteriöser Gitarrenarbeit aus – alles zum Wohl der Atmosphäre und des Spannungsbogens.
Natürlich lässt das pechschwarze Gemetzel nicht lang auf sich warten, auch kommt es in weiterer Folge nicht zu kurz. So beeindrucken VULPUS auf „Like Troxler’s Fading“ mit schmissigen Riffs und aberwitzig rasanten Double-Bass-Drums, während die verzweifelten, klaren Screams auf „Along Obsidian Shores“ den sonst leider eher eindimensionalen, gutturalen Gesang ablösen, was der vorherrschend niedergeschlagenen Stimmung sehr zugutekommt.
Was die in ihrem Genre etablierten Stilmittel angeht, haben VULPUS also einiges drauf, sowohl das brachiale Tremolo-und-Blast-Gewitter („Certitude II“) als auch die düsteren, aber fast schon verträumten Clean-Passagen. Ihre kleinen Noise- und Ambient-Experimente sollten die Post-Black-Metaller hingegen in Zukunft sein lassen. Im kurzen Zwischenspiel „Certitude I“ mögen die verhängnisvollen, minimalistischen Gitarren gut funktionieren, die Monotonie im neunminütigen Instrumental „Hell Is Truth Seen Too Late“ ist jedoch nicht hypnotisch, sondern einschläfernd.

Bei all dem Lob scheint die Kritik an den misslungenen, eintönigen Noise-Einschüben nicht allzu sehr ins Gewicht zu fallen. Bedenkt man jedoch, dass der zuletzt erwähnte Abschlusstrack ein Viertel der Spielzeit ausmacht und ein paar langatmige Abschnitte auch in den übrigen Tracks enthalten sind, wird letztendlich klar, dass „Certitude“ unglücklicherweise nicht ganz das Meisterwerk ist, das es anfangs zu sein scheint. Für ihr Songwriting, das über weite Strecken abseits der Norm steht, haben sich VULPUS eine gehörige Portion Respekt verdient. Dennoch ist es schwer, ihr Debüt als Hörer zu genießen, und noch schwerer, es gebührend zu bewerten.

Wertung: 6.5 / 10

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