Review White Moth Black Butterfly – Atone

Dass Pop und progressive Musik nicht zwangsläufig an den einander gegenüberstehenden Polen der Anspruchsskala stehen müssen, haben etwa Genesis, Iamthemorning und zuletzt Steven Wilson schon längst unter Beweis gestellt. Dennoch ist der Stil, den WHITE MOTH BLACK BUTTERFLY auf ihrer zweiten Scheibe „Atone“ an den Tag legen, etwas Besonderes, dringt das britisch-indische Quintett doch so weit in poppige Gefilde vor, wie kaum eine progressive Band vor ihnen. Den genannten Vorzeigetruppen stehen WHITE MOTH BLACK BUTTERFLY dennoch in nichts nach, sodass das Prog-affine Label Kscope sie gewiss nicht nur wegen der personellen Überschneidungen mit Skyharbor und Tesseract unter Vertrag genommen hat.

Während herkömmliche Chartstürmer im Pop-Bereich entweder zu aufdringlich, trashig, grundlos gefühlsduselig oder schlichtweg seicht klingen, trifft nichts davon auf WHITE MOTH BLACK BUTTERFLY zu. Diesen Eindruck, den das schwermütige Intro „I Incarnate“ mit Piano, Geige und Männergesang erweckt, bestätigt schon das darauffolgende „Rising Sun“. Die leichtherzigen Clean-Gitarren, die anschmiegsamen weiblichen Vocals und die dezenten Electro-Spielereien versprühen zwar ordentlich Pop-Appeal, sind aber trotz aller Eingängigkeit so einnehmend arrangiert, dass man sich selbst als Radio-Verächter nicht daran stört.

Doch es kommt noch besser: „Atone“ ist nämlich eines jener seltenen Alben, die zwar überaus leicht zugänglich, aber auch tiefschürfend atmosphärisch sind. Ihre breit gefächerten Einflüsse verarbeiten WHITE MOTH BLACK BUTTERFLY äußerst subtil, das meiste spielt sich im Hintergrund ab, sodass man genau hinhören sollte, um alles zu erfassen. Hin und wieder holen sie jedoch das eine oder andere Element in den Vordergrund, um den Hörer zum Staunen zu bringen. Besonders herausragend sind etwa die erhabenen, filmreifen Streicher in „Tempest“ oder die asiatischen Zupfer und Flöten in „The Sage“, das darüber hinaus mit wirklich gefühlvollem, hohem Gesang punktet.

Letzterer steht bei WHITE MOTH BLACK BUTTERFLY Pop-typisch im melodischen Mittelpunkt, was einerseits eine ihrer großen Stärken, aber auch den vielleicht einzigen Kritikpunkt darstellt. Während nämlich Daniel Tompkins sehr facettenreich und aufrichtig gefühlvoll singt, wirkt der an Ellie Golding erinnernde Gesang von Jordan Turner etwas glattgebügelt und leblos. Ein nennenswerter Störfaktor ist das jedoch eigentlich nur im Titeltrack, einer auch sonst eher uninteressanten Piano-Ballade. Auf dem verführerisch-mysteriösen, akustischen „The Serpent“ kommt ihre Stimme hingegen besser zur Geltung. Ansonsten sind es jedoch eindeutig Daniels Vocals, die Songs wie dem geheimnisvollen „An Ocean Away“ oder der gewagt beklemmenden Ambient-Nummer „III Deep Earth“ derart viel Emotion und Stimmung entlocken.

Was WHITE MOTH BLACK BUTTERFLY auf „Atone“ kredenzen, ist zweifelsohne als außergewöhnlich zu bezeichnen. Als wäre es das Leichteste auf der Welt, kratzt das Quintett mit einer beeindruckenden Auswahl an Instrumenten die verschiedensten Genres an und komprimiert diese in leicht verdaulichen Pop-Strukturen. Bis auf den recht faden Titeltrack begeistert jeder Song auf seine eigene Weise. Darum hat „Atone“ einerseits das Potential, unbedarfte Mainstream-Hörer an interessantere Genres heranzuführen, beweist aber andererseits auch, dass Pop ebenfalls aufregend sein kann, wenn er richtig gemacht ist. Und das ist eine bemerkenswerte Leistung.

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Wertung: 8 / 10

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