Worm Shepherd Albumcover "Ritual Hymns"

Review Worm Shepherd – Ritual Hymns

Eine der schönsten Eigenschaften der Musik ist es doch, dass sie unendlich ist. Sobald wir denken, wir würden schon alles kennen, experimentiert irgendeine Truppe mit verschiedenen Stilrichtungen und es entwickelt sich ein neuer Trend. Als ein solcher war im vergangenen Jahr der Blackened Deathcore auszumachen. Klar, bereits in den 2000ern vereinten Bands wie Bleeding Through oder Carnifex gewisse Elemente beider Subgenres. Doch war es eine damals kleine Band namens Lorna Shore, die mit ihrer zweiten Platte „Flesh Coffin“ den Stilmix salonfähig machte und unzählige Nachahmer auf die Metal-Landkarte brachte. Gerade im letzten Jahr erreichte der Hype seinen zwischenzeitlichen Höhepunkt, den auch die Amerikaner von WORM SHEPHERD für sich zu nutzen wussten. Erst 2020 gegründet, gelang es dem Quintett mit seinem Debüt „In The Wake Ov Sòl“ eine beachtliche Schar an Hörern zu generieren. Nicht einmal ein Jahr später steht mit „Rituals Hymns“ bereits der Nachfolger in den Startlöchern.

Stilistisch betrachtet bewegen sich WORM SHEPHERD im Vergleich zu den meisten Genre-Kollegen etwas näher am Black Metal als am Deathcore. Dies liegt einerseits an Frontmann Devin Durantes garstig fauchenden Black-Metal-Screams, andererseits an der hohen Anzahl an Blast-Beat-Passagen mit repetitivem Riffing und symphonischer Untermalung. Dass die Bezeichnung Deathcore dennoch mehr als zutreffend ist, beweisen regelmäßig eingestreute Breakdowns sowie die zermürbenden Growls und Pig Squeals, mit denen Durante ein breites Spektrum der gutturalen Gesangskunst abdeckt.

Mit einer Spielzeit von über 50 Minuten bei nur neun Titeln, präsentieren WORM SHEPHERD mit „Ritual Hymns“ zudem ein sehr umfangreiches Werk – vier Tracks überschreiten dabei sogar die Sechs-Minuten-Marke. So auch der eröffnende Titeltrack, der mit marschartigen Drums und orchestralen Melodien in das Album einführt, bevor eine Blast-Beat-Salve die metallische Schlagseite einführt und die Gitarrenfront zwischen flinken Black-Metal-Riffs und moderaten, im Anschlag gedämpften Passagen variiert. WORM SHEPHERD garnieren den Opener mit einem „slammigen“ Breakdown und beenden ihn mit der Einführung einer neuen Melodie, die erst nur von Durantes Stimme, anschließend von weiteren Blast-Beats begleitet wird.

Spannend ist auch das Intro des nachfolgenden „Ov Sword And Nail“: Ein gemütlicher Rhythmus aus Bass und Schlagzeug beginnt, die erste Gitarre steigt mit Tremolo-Picking ein, bis Schlagzeuger Leo McClain sein Spiel wieder intensiviert. Neben abermaligen Blast-Beats vervollständigen orchestrale Elemente sowie die übrigen beiden Gitarren das Soundbild. Immer wieder gelingt es den jungen Amerikanern solch interessante Momente zu kreieren: Bei „The Ravens Keep“ versprüht düsterer Klargesang eine gespenstische Atmosphäre und drückende Riffs der Marke Behemoth intensivieren das Gefühl des Unwohlseins. Besagte Clean Vocals heben auch die Single „The River Ov Knives” besonders hervor und erweisen sich abermals als bereicherndes Element.

„Wilted Moon“ und „A Bird In The Dusk“ überzeugen mit technisch versierten Riffs und einer eingängigen Orchestrierung – der Vergleich zu Lorna Shore liegt hier auf der Hand. Mit dem abschließenden „Winter Sun“ kredenzen uns WORM SHEPHERD zudem ein achtminütiges Werk, das in der ersten Hälfte eine rasante Hochgeschwindigkeitsfahrt bietet, in der zweiten Hälfte jedoch rhythmischer wird und in einem epochalen Breakdown mit Gänsehautgarantie mündet.

Trotz des geringen Abstands zum Vorgänger wirkt „Ritual Hymns“ dank all seiner Stärken nicht wie ein Schnellschuss. An gewissen Stellen muss man WORM SHEPHERD dennoch ankreiden, ein wenig an Kreativität gespart zu haben: So verkommt das angesprochene „Ov Sword And Nail“ nach seinem coolen Intro zu einem durchschnittlichen Deathcore-Track. Ähnliches gilt auch für „Blood Kingdom“, das trotz schierer Brutalität und technisch versiertem Gitarrenspiel ohne ein prägendes Highlight vergeht. Schade ist zudem, dass WORM SHEPHERD als Ende ihrer Tracks zu oft ein Fade-Out und somit den einfachsten wie uninspiriertesten Weg wählen.

Während letztere Kritik ein kleiner Schönheitsmakel ist, verhindern die vorhandenen Längen leider eine Bewertung im herausragenden Bereich. Nichtsdestotrotz kann man „Ritual Hymns“ uneingeschränkt empfehlen, sofern man weder Black Metal noch Deathcore abgeneigt ist. Denn WORM SHEPHERD kreieren auf ihrer zweiten Platte einen massiven Sound, der stets zwischen Epik und Brutalität wandelt und diesen Kontrast miteinander in Einklang bringt. „Ritual Hymns“ ist somit der erste Fingerzeig dahin, dass der kometenhafte Aufstieg des Blackened Deathcores auch im Jahr 2022 weitergeht.

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Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Silas Dietrich

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