Was haben Slipknot, Rammstein, KMFDM und :Wumpscut: gemeinsam ? Ganz genau: Während Mitglieder unserer „bösen, satanischen Szene“ beim bloßen Erwähnen der Namen in den öffentlichen Medien resigniert seufzen, ob der Skandale die damit öffentlichkeitswirksam und quotenfördernd inszeniert werden, gehen Politiker und andere Weltverbesserer damit auf Stimmenfang für ihre Heile-Welt-Vision zum Schutze der Jugend und ihres parlamentarischen Amtes. Nun gut, wenn diese Einleitung ein ebensolches Aufstöhnen unter den Lesern bewirkt, dann hat der Autor offensichtlich sein Ziel erreicht und eine dem Thema entsprechende klischeebeladende Einführung zum folgenden Review verfasst. Jenes beschäftigt sich mit dem legendären Album „Bunkertor 7“ aus dem Jahre 1995, welches die Alleinschuld am „Satansmord von Witten“ trägt. Hoffentlich sind die Fronten damit ausreichend geklärt und wir können uns wichtigeren Themen widmen.
Der Musik zum Beispiel. Der Mann mit dem grenzwertigem Humor hat wie schon auf dem Debüt „Music for a slaughtering tribe“ eine ganze Reihe brachialer Elektrosongs mit düsterer Endzeitstimmung geschaffen. Mit dem richtigen Gespür für nicht-bürgerliches werden hier die üblichen Themen Sex, Mord, Tod, Suizid und Gewalt verarbeitet und mit entsprechenden Klängen unterlegt. Ein stampfender Bass, ein verzerrter Kreischgesang, jede Menge Samples und Keyboardspielereien werden zu einer explosiven Mischung vermengt, die garantiert in keine Gothicdisco fehlen darf. Dabei kommt die Abwechslung aber keinesfalls zu kurz. „Torn Skin“ beispielsweise ist ein netter Mid-Tempo Song, der eher gemächlich als brachial aus den Boxen rauscht, während der auf deutsch verfasste Titeltrack um einiges härter ist. Das melancholische „Die in Winter“ kann man schon fast als Ballade bezeichnen und „Mortal Highway“ ist ein erfreulich eingängiger Song, der allerdings mit sehr wenig Text auskommt, der oft wiederholt wird, bei „Thorns“ ist gar eine Akustikgitarre zu hören. Der Gesang erinnert dabei oft an den wesentlich bekannteren Marilyn Manson. Insgesamt betrachtet sind die meisten Songs im Vergleich zum Vorgänger um einiges ruhiger und vielleicht ist grade deshalb „Bunkertor 7“ als Einstieg eher zu empfehlen.
Rudi Ratzinger und sein Projekt sind vielleicht nicht zu unrecht umstritten. Zu klischeehaft, zu ordinär und zu vorhersehbar sind manchen die geplant skandalträchtigen Themen. Wer sich daran aber nicht stört, (und realistisch betrachtet sind Death- und Black Metal-Bands auch nicht geschmackvoller) der darf durchaus mal ein Ohr riskieren, denn insgesamt gesehen sind die synthetischen Klänge durchaus etwas, was die Ohren erfreuen kann, wenn man sich darauf einlässt. Wer bei dieser elektronischer Musik an auf düster getrimmten Eurodance denkt, kann falscher gar nicht liegen. Trotzdem ist es verständlich, wenn vielen das ganze zu weit vom Metal weg liegt, obwohl es atmosphärisch durchaus mit den extremeren Spielarten vergleichbar ist. Zum Schluss noch eine kleine Anekdote zur Extremität: Wenn die geliebte Mutter des Autors den schlimmsten Death- und Black Metal ohne mit der Wimper zu zucken akzeptiert, sich aber bei manchen :Wumpscut:-Stücken wegen des Lärms beschwert, dann hat das einen Grund. In diesem Sinne…
(Sebastian Klein)
Wertung: 8.5 / 10