Review Xandria – Salomé

Vor Überraschungen scheint man nie so ganz sicher zu sein und da ist es um so erfreulicher, wenn es sich um eine im positiven Sinne handelt. So geschieht es dieser Tage mit der frisch gepressten Essenz der Dame und Herren von XANDRIA, die mit „Salomé“ ihr mittlerweile viertes Album veröffentlichen. Ich muss zugeben, dass mich der Bielefelder Fünfer bisher nur wenig bis gar nicht tangiert hat und das hätte sich ohne die Promo zu „Salomé“ wohl auch nicht geändert. Gut, XANDRIA ist natürlich eine Band, die es aufgrund diverser Umstände (Videos in MTV-Dauerrotation, Auftritte bei eher metalunüblichen Veranstaltungen) sicher schwer hat in der Szene. Auch ich ging nicht ganz vorurteilsfrei an die Sache ran, muss aber sagen, dass XANDRIA hier ein objektiv betrachtet ziemlich einwandfreies Stück Musik abgeliefert haben. Sie kreierten eine ansprechende Mischung aus Liedern, die sich in absoluter Höchstgeschwindigkeit ins Ohr fressen und solchen, die drei, vier Durchläufe benötigen, bis sie zünden.

Hierzu zählt zum Beispiel „Emotional Man“, eines der besten Lieder des Albums. Gefiel es mir beim ersten Hören noch gar nicht, entwickelte es sich mit der Zeit zu einem meiner Lieblingslieder auf „Salomé“. Als Konsument kann man sich darüber auch durchaus freuen, denn Lieder wie „Emotional Man“ (Gastgesang von Mika Tauriainen (Entwine)!!) halten sicher die Langzeitwirkung aufrecht, die, und das ist möglicherweise der einzige größere Kritikpunkt (neben den teilweise sehr klischeehaften Texten, aber von sowas lässt sich der Kunde ja nur bedingt abschrecken), bei so megaeingängigen Liedern wie der ersten Single „Save My Life“, vermutlich nicht gegeben ist. Dennoch ist der Opener ein Song, den man nach einem halben Durchlauf bestens mitpfeifen kann, inwieweit dies als Gütesiegel zu verstehen ist, sei hier natürlich jedem selbst überlassen. Jedenfalls kombinieren XANDRIA in jedem der zwölf Songs diverse Elemente guter Musik. Die Gitarrenriffs variieren zwischen modern (den Begriff New-Metal verweigere ich mal ganz bewusst) und düster, das Keyboard bekommt Raum, welchen es bestens ausfüllt, ohne sich aufzudrängen, Bass und Schlagzeug treiben die Songs bisweilen an oder sorgen situationsangepasst für ein stabiles Fundament und der Gesang von Lisa tut sein übriges. Mich überzeugt hier nicht nur der starke Ausdruck, vielmehr sind es die raffiniert ausgetüftelten Gesangslinien, die die Songs so wertvoll machen. Hierfür ist „Firestorm“ ein sehr gutes Beispiel, auch dieser Song entwickelt sich ähnlich „Emotional Man“ erst allmählich, entpuppt sich nach einiger Zeit aber als kleines Highlight. Für ihre Verhältnisse gehen XANDRIA recht abwechselungsreich zu Werke, ein sehr atmosphärischer, akustischer Zwischenteil wird von beinahe aufbrausender Dramatik umgarnt und Lisa haut sogar einige deathmetallische Growls rein, die sich vor keiner männlichen Konkurrenz verstecken müssen.

Anspieltipps gibt es auf „Salomé“ genügend: „Save My Life“ und „Vampire“ wurden mit Konsequenz zu den beiden Singleauskopplungen erkoren, die angesprochenen „Emotional Man“ und „Firestorm“ sollten zumindest Fans und aufgeschlossene Liebhaber gotisch angehauchter Musik nicht enttäuschen, dazu noch der Titeltrack und „The Wind And The Ocean“ als Quotenballade, schon ist das halbe Album abgegrast. Auch die anderen Songs haben ihren Charme, dennoch muss ich zu der bereits geäußerten Befürchtung zurückkehren, dass die Songs ihr Potential nur über einen überschaubaren Zeitrahmen erstrecken können. Sicherlich lasse ich mich gerne eines besseren belehren, zumindest bis dahin können XANDRIA aber keinesfalls am Thron der besten (deutschen) female-fronted-gothic-Band Flowing Tears rütteln, auch wenn der kommerzielle Erfolg sicher eher für die Ostwestfalen spricht. Aber gut, Bielefeld konnte sich in der Bundesliga auch schon einige Male vor Bochum platzieren und dennoch zweifeln die wenigsten daran, dass der VfL der wesentlich sympathischere Verein ist. In Ostwestfalen backt man eben kleinere Brötchen.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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