Im November 2022 veröffentlichte Nico Schwappacher mit seinem Projekt ZWISCHENLICHTEN sein erstes Album „Dämmerschwellen“. Im Dark Folk verortet, brachte ihm dieses Werk erste Anerkennung ein. Nun meldet sich der Multiinstrumentalist und Sänger mit „Leidgeboren“ zurück. Ging es auf dem Debüt noch um den Moment des Sonnenuntergangs und seine Färbungen, zieht sich ZWISCHENLICHTEN nun konsequent in die Tiefen nächtlicher Romantik zurück.
Das titelgebende „Leidgeboren“ legt sich wie ein sanftes Gewand aus Nachthimmel über den Hörer. Akustikgitarren verschmelzen mit dezenten Synthflächen und stimmungsvollen Cello-Arrangements. Dazu gesellt sich Schwappachers heller, schwermütiger Gesang, der mühelos den schmalen Grat zwischen Hoffnung und Wehmut beschreitet. Martin Falkenstein (MOSAIC) liefert auf dem Opener indes diverse Gastbeiträge. Unter anderem bei Gesang und Gitarren. Im Verlauf wächst der Song aus seiner anfänglichen Zurückhaltung in eine große Drängnis, die den weiteren Weg des Albums weist.
Als säße er im Gras vor dem glanzvollen Dunkel der Nacht, erschafft ZWISCHENLICHTEN mit schlichten Mitteln große Emotionen.
„Sie suchten mich mit Hunden und machten die Waldnacht zum Tag. Sie haben es lang nicht verwunden, dass zu finden mich keiner vermag…“
So heißt es in „Knochenmädchen“. Für Freunde guter Lyrik entfaltet sich hier, getragen von schwelgerischen Streichern und dezenter Perkussion, ein eindrucksvoller Gänsehautmoment. Diesen Weg setzt Schwappacher auf „Herr Herbst spielt Klavier“ und „Schnitzers Klage“ fort. Ersterer erzeugt, geschrieben und gespielt von Thomas Helm (EMPYRIUM) mit zarten Pianomelodien und Nico’s sehnsüchtigem Gesang, eine intime, träumerische Atmosphäre. „Schnitzers Klage“ hingegen verwebt akustische Harmonien mit sanftem Akkordeon und Cello. Auch hier ist es die Lyrik, die dem minimalistischen Stück seine besondere Authentizität verleiht.
Gelegentlich jedoch wird diese erhabene Schwermut durchbrochen. Das drängende „Kold“ mag spannend sein, wirkt mit bellenden Vocals und treibendem Arrangement aber wie ein zu harter Bruch zum Albumeinstieg. „Sturm auf dem Berg“ fügt sich zwar besser in den Fluss von „Leidgeboren“ ein, doch auch hier wirkt das aufbruchhafte Temperament etwas deplatziert – nicht jede Melancholie unter dem Sternenzelt muss in eine Nachtwanderung über Berg und Tal münden.
Verlust, Trauer und Schmerz – das sind Bestandteile eines Zyklus, nämlich dem der Heilung. Nach dieser Maßgabe hat ZWISCHENLICHTEN ein Album geschaffen, das träumerische Kompositionen mit Synth- und Shoegaze-Elementen verbindet, ohne den archaischen Charakter des Debüts zu verleugnen. Wer sich in diesem Klangkosmos zuhause fühlt, kann bei „Leidgeboren“ bedenkenlos zugreifen. Zur Empfehlung gehört jedoch die Erkenntnis, dass es sich bei den Liedern nach wie vor um ausgesprochene Stimmungsmusik handelt, die – bei aller Reifung und Leidenschaft – noch nicht auf ganzer Länge kohärent funktioniert.
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Wertung: 7.5 / 10

