„Fantasy & Wissenschaft“ – ein Vortrag von Tommy Krappweis und Rudolf Simek

Das künstlerische Chamäleon Tommy Krappweis und den österreichischen Philologen, Skandinavisten und germanistischen Mediävisten Rudolf Simek verbindet inzwischen eine tiefe Freundschaft. Diese ging aus einer anfänglich beruflichen Zusammenarbeit beziehungsweise einer simplen E-Mail des Autors von „Mara und der Feuerbringer“ hervor. Krappweis suchte einen Experten, der die (sofern vorhandenen) Fakten aus der nordischen Mythologie in seinem Skript prüft und gegebenenfalls hinzufügt. Dieser Aufgabe kam Simek mit so viel Wissen und Herzblut nach, dass die Gespräche bei Krappweis nach eigener Aussage für erste kahle Stellen am Kopf sorgten. Die Zusammenarbeit erwies sich als ergiebig und unterhaltsam zugleich: Inzwischen treten die beiden Männer mit ihrem gemeinsamen Vortrag „Fantasy & Wissenschaft“ regelmäßig auf großen Conventions und Festivals wie dem Festival-Mediaval oder der RingCon auf.

Die juristische Bibliothek im Rathaus der Stadt München hat mit den teils liebevoll gestalteten Literaturzelten und -bühnen wenig gemein: Stattdessen erschlägt der Raum beinahe mit seiner Imposanz und erhabenen Schönheit. Ein epischeres Ambiente hätten sich die zwei Hauptdarsteller des Abends kaum wünschen können. Zur Feier des Tages arbeitet das Duo erstmals mit einer Präsentation auf einer Leinwand. Die Fotos und Grafiken sind allerdings oft mehr schmuckes Beiwerk für die Dialoge der beiden gegensätzlichen und doch wahnsinnig kompatiblen Charaktere, die sich die Bälle zuspielen, gegenseitig ins Wort fallen und immer wieder freundschaftlich auf den Arm nehmen. Dass der Künstler und der Professor überhaupt zusammenfanden, ist der modernen Technik geschuldet, wie Krappweis zu Beginn schildert: Seine Google-Suche nach einem Experten für nordische Mythologie führte ihn letztlich zu Simek – alle anderen Fachmänner und -frauen auf diesem Gebiet waren bereits verstorben oder nicht mehr auffindbar. Dieser traurige Umstand erweist sich für die beiden Männer als Glücksfall: Ursprünglich arbeitete Tommy Krappweis an einer Fernsehserie, durch seine Gespräche mit Rudolf Simek reifte in ihm die Idee, die Buchreihe „Maria und der Feuerbringer“ zu schreiben. Simek entwickelte sich für Krappweis zur Vorlage für die Figur des „Professor Weissinger“ in seiner Romantrilogie, fungierte als wissenschaftlicher Berater und verfasste das begleitende Glossar. Darüber hinaus ist der österreichische Mythologie-Experte in der gleichnamigen Verfilmung 2015 in der Rolle des Lehrers Haase zu sehen. Inzwischen ist Simek auch als Berater für Netflix und deren historische Serien über Römer, Kelten und Co. aktiv. Zusammen mit Krappweis arbeitet er an einer Fortsetzung der Mara-Saga.

Ähnlich wie Netflix testete Krappweis mit seinem Sparringspartner den Aspekt „künstlerische Freiheit“ oftmals bis zum Äußersten: Der Suebenknoten, den Christoph Maria Herbst in der Buchverfilmung trägt, ist einer der Kompromisse aus historischer (Fast-)Korrektheit und Fantasy-Elementen. Es ist schlicht nicht überliefert, ob die Germanen (oder in diesem Beispiel deren Gott Loki) ihre Haare jemals so getragen haben, doch Krappweis fand in Lokis gefesselter Liegeposition die perfekte Erklärung für die ungewöhnliche Frisur: Lokis Haare wurden von seiner Frau an der Seite weggebunden, um es ihrem Mann bequemer zu machen. Weniger bzw. keinen Interpretationsspielraum gibt es hingegen bei den Darstellungen von den Wikingern und Thor: So führen die historisch fehlerhaften Darstellungen mit Flügeln an den Helmen unter anderem dazu, dass Reenactment-Darsteller sich heutzutage mit wenig authentischen Lederriemen behelfen müssen, um ihre Kopfbedeckung gegen Wind und Wetter auf dem Kopf zu fixieren. Außerdem trugen die stolzen Nordmänner zur See keine Wadenwickel „bis unter die Hoden geschnürt“, hatten mit den Darstellungen auf vielen Metal-Covern wenig gemein und ein kleiner Thor könnte auch eine von vielen Figuren sein, die gar keinen Hammer, sondern vielleicht ein Instrument in Händen hält. Es ist eine von vielen verbreiteten (Miss)-Interpretationen oder im Falle von Richard Wagner auch wenig beachteter Tatsachen: Beim deutschen Komponisten und Schriftsteller darf beispielsweise davon ausgegangen werden, dass seine sächsische Herkunft seine Sprache maßgeblich geprägt haben dürfte. Ein markanter Kontrast zu seinen überlieferten Werken und eine Steilvorlage für gute Gags von Tommy Krappweis.

Im Vergleich zu ihren bisherigen Auftritten agieren Krappweis und Simek im Herzen Münchens insgesamt mehr fakten- als entertainmentorientiert. Der Vortrag hat mit einer Univorlesung oder Lesung allerdings dennoch nichts gemeinsam, dafür werden die Informationen immer noch zu unterhaltsam vermittelt und zu oft springen die beiden Männer wild zwischen allen besprochenen Themen hin und her. Mittendrin echauffiert sich Simek in einem Exkurs kurz über J. R. R. Tolkien, der als sein Kollege zwar die Welt um „Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“ bereichert hat, aber durch seine Tätigkeit als Autor seine eigentliche Arbeit an der Uni vernachlässigt und im Vergleich zu anderen Professoren kaum akademische Veröffentlichungen vorzuweisen hat. Am Ende gehen die Besucher sicherlich alle ein Stück klüger und auch gut unterhalten nach Hause. Das breite Portfolio von Tommy Krappweis eignet sich darüber hinaus für weitere Abende wie diesen.

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