Interview mit Juhani Jokisalo von Apocryphal Voice

Juhani Jokisalo erzählte uns, wie „Stilltrapped“ und damit seine Band APOCRYPHAL VOICE zustande kam. Maßgeblich daran beteiligt sein damaliges Inneres, was er heute hinter sich gelassen hat. Doch lest selbst…

English original…

Grüße Juhani! Wie geht’s?
Wer „Stilltrapped“ gehört hat, erwartet sicher eine Antwort wie „fucking depressed!“ aber derzeit ist das nicht der Fall. „Stilltrapped“ wurde in einer Ära erschaffen, welche ich erfolgreich hinter mir gelassen habe. Es schliesst mit dieser Ära ab, eine Katharsis. Obwohl es diese dunklen Zeiten reflektiert, bin ich froh, das Album endlich fertig gestellt und veröffentlicht zu haben. Heute fühle ich mich stärker und bin optimistischer als eine lange Zeit zuvor. Ich konzentriere mich auf meine positiven Eigenschaften. Wie auch immer, das bedeutet nicht, dass sich meine Musik daran anpassen wird. Es wird immer für die unverständlich bleiben, die die Musik auch jetzt nicht verstehen.

Ich muss sagen, ihr wart mir vorher komplett unbekannt, doch ich behaupte mal, dass ihr mit „Stilltrapped“ zahlreiche positive Kritiken bekommen werdet. Ist das bisher auch so?
Ich erhielt von meinen Freunden, welche mich als Person kennen und verstehen, positive Kritiken. Offenbar gibt es auch verschiedene positive französische Kritiken. Bisher habe ich nicht viele Rezensionen von anderen Leuten gesehen. Ich erwarte halbwegs negative Kritiken von meinen Metal-Landsleuten. Aber es würde und hat keinerlei Bedeutung. Leute zufrieden stellen ist nicht das, wonach ich strebe.

Das Infoblatt zu „Stilltrapped“ umschreibt eure Musik mit einer Mischung aus Nick Cave und Burzum. Was hat euer Album den vom einen Künstler und was vom anderen?
Direkt nichts. Ich schrieb diese Information etwas hastig auf und diese Zeile war als Randbemerkung gedacht, aber sie erhielt zuviel Aufmerksamkeit. Was ich meinte war: wenn du eine lange Linie zwischen diesen Extremen ziehst, wäre „Stilltrapped“ irgendwo in der Mitte angesiedelt. Es würde aber keinem gleichen. Ich möchte mich entschuldigen, wenn ich irgendwen mit dieser Anmerkung verwirrt habe. Meine Musik in Laienbegriffen zu umschreiben, ist für mich genauso schwierig wie für jeden anderen auch.

Ich muss sagen, eure Betitelungen der Lieder sind teils ungewöhnlich für den Metalbereich. So kam mir noch kein Name wie „Lazy“ beispielsweise unter…
Ihr haltet eure Liedtitel sowieso recht prägnant, manchmal wirkt es so, als wolltet ihr lediglich damit ein Gefühl beschreiben, ist da was dran?

Hängt vom Song ab. Hauptsächlich versuche ich ein Thema zu finden, schreibe dazu passend die Texte und suche dementsprechend einen Titel. Manchmal gestaltete sich dies schwierig, so vorgekommen, wenn ich einige Aspekte der Stücke hervorheben wollte.

Was soll denn das Cover eures Albums darstellen?
Unser Drummer Ville, welcher für das Motiv verantwortlich ist, hatte verschiedene Ideen und experimentierte herum, als er die finale Version erschaffen wollte. Meine einzige Vorgabe war, dass das Farbschema bleich und kalt sein sollte…hellgrau, das ist die Farbe, welche ich mit dem Album assoziiere. Ich denke, noch nicht mal Ville selbst weiss, was das Cover exakt repräsentiert aber wir beide fühlten irgendwie, dass es das richtige ist. Meine eigene Interpretation ist, dass der Würfel eine Art Beschränkung darstellt. Selbstverständlich kann sich da aber jeder seine eigenen Gedanken zu dem Bild machen, genauso wie zu den texten und zur Musik von Apocryphal Voice.

Häufig hatte ich beim Hören und gleichzeitigem Titellesen das Gefühl, ihr habt die Liednamen exakt an die Tracks angepasst. So agiert „Lazy“ antriebslos, „Dance of the Phantoms“ bizarr und „March Towards Hell“ eben so, wie man sich das Lied vorstellen kann. War das so gewollt?
Das war nicht absichtlich so gewollt. Aber wenn die Titel diesen Eindruck erwecken, dann ist das eine feine Sache. Ich versuchte, nicht übermäßig darüber nachzudenken, ich verließ mich auf die Intuition.

Die unmittelbaren Nachbarn „Lazy“ und „March Towards Hell“ klingen ganz anders, diametral um genau zu sein. Wieso habt ihr diese beiden Stücke aufeinander folgen lassen, ist ja schon ein Unterschied wie Tag und Nacht?
Nun, du musst zugeben, dass „March Towards Hell“ noch erschreckender nach einem fröhlichen Akustiksong klingt oder? Schon anfangs hielt ich diese Reihenfolge der Tracks für die richtige. Ich kann es nicht erklären, aber irgendwas sagte mir, dass es so richtig ist. Ich glaube auch nicht, dass diese Songs für sich am stärksten wirken würden. Sie sind Teile der logischen Galerie der verschiedenen Stimmungen, vergleichbar mit einer langsamen, emotionalen Achterbahn. „March Towards Hell“ soll dich niederschlagen und deiner Kräfte berauben, und wenn das nächste Lied (mein Favorit) erklingt, sollst du angstvoll vor es gebracht werden. Bezüglich des Endes des Albums war ich manchmal ein wenig besorgt, dass es alles zu freudlos und hoffnungslos erscheinen lassen würde. Aber hinterher war der Abschluss voller Leere doch die Lösung, welche Sinn ergibt und die ganze Arbeit passend macht. Es war künstlerisch erforderlich.

„Stilltrapped“ ist ein Album, welches im Prinzip das Missfallen und den Ekel ausdrückt, welche ihr für diese Welt empfindet, oder? Kannst du dies auf die Musik bezogen bitte genauer erläutern? Wie kommt es denn zu dieser Weltanschauung, gab es da so ein „Klick“-Erlebnis?
Da gab es kein spezielles Ereignis. Das Arbeiten an dem Album war für mich wie das Exorzieren meiner persönlichen Dämonen. Das Album wuchs in mit dem Gefühl von Krebs und ich entschied, dass es raus musste, damit ich mich musikalisch und persönlich in meinem Leben weiterentwickeln konnte. Und nun, wo ich die CD in meinen Händen halten und hören kann, habe ich es heraus und kann in meinem Leben weiterkommen. Ich habe den Albtraum, der mich einst gefangen nahm, gefangen und dieser hat nun keine negative Kraft mehr über mich.

Wie kommt man auf so Vergleiche wie: “Musically it’s more diverse extending from actually memorable structures to scary avant-noise experiments, and calmer in a way of expressing a prisoner’s suppressed rage in shackles or total living emptiness“. Gut, man kann sich durchaus ein Bild machen, wie bedrückend die Musik wirkt aber auch hier möchte ich dich bitten, dass vielleicht ein wenig ausführlicher oder erläuternder zu erklären.
Musik zu beschreiben – besonders die eigene – ist schwer. Und wie ich sagte, sollte jeder die Möglichkeit haben, die Musik nach dem eigenen Bild zu sehen. Ich könnte nun fortfahren, was ich persönlich meinte oder was dieses oder jenes Detail bedeuten soll, aber ich würde mich sehr schnell in die Ecke reden. Ich würde an mir selbst zweifeln: „Sehe ich das wirklich so?“. Es sollte ausreichend sein, dass die Musik auf einem nicht rationalen Level Sinn macht. Das Gefangenschaftsding ist am ehesten die Thematik, welche das Album hat.

Wie darf man denn euren Bandnamen deuten? Die erste Assoziation ist vielleicht die Bibelschrift des Thomas aber das ist kaum gemeint oder?
Mir ist dieser Thomas-Kerl nicht bekannt. Der Name meint eigentlich versteckte oder geheimnisvolle Stimme. So sehe ich das wenigstens und so würde ich die Band beschreiben wollen. Der Term „apokryphisch“ ist in der Regel von den apokryphischen Büchern geprägt, welche vom offiziellen Kanon der Bibel abgetrennt worden sind, weil sie als unpassend oder zu obskur angesehen worden sind, um für das christliche Weltdominierungsprogramm geeignet zu sein.

Ich habe gelesen, Apocryphal Voice wurde nur gegründet, weil du vielerlei Dinge, wie die Gesellschaft, deine alte Band etc. satt hattest. Hat sich heute was geändert? Was fiel denn damals in deiner alten Band vor, Absent Silence war das, richtig?
Lass das Wort „nur“ weg. Ich habe die Band nicht nur deswegen gegründet. Da war Musik in mir, welche nach Realisierung verlangte. Es passierte dann, dass ich meine eigene Musik (aufgrund des inneren Drangs) schrieb und die alte Band war nicht das angemessene Forum für die Veröffentlichung dieser Musik. Zur selben Zeit hatten die anderen Jungs keine Lust mehr, miteinander zuspielen. Wir verblieben als gute Freunde.

Bemerkenswert finde ich, dass ihr dem Bass mehr Freiraum und mehr Gestaltungsmöglichkeiten als viele andere Bands lasst…
Es ist in anderen Musikstilen nicht so bemerkenswert, zum Beispiel hat man so was auch bei Joy Division. Ich komponiere hauptsächlich mit der Gitarre und in diesem Fall setzt die Gitarre die Rahmen, in denen die anderen Instrumente zur Verbesserung des Songs operieren können. Aber nur wenn du den Bass dazu nimmst wird die Musik richtig lebendig. Ohne den Bass ist das so wie Frankensteins Monster – alle wichtigen Körperteile sind da, wo sie sein sollte aber die Kreatur ist immer noch tot. Mit dem Bass beginnt die Kreatur zu atmen. Es ist recht rätselhaft aber so scheint es zu sein. Ausserdem mag ich das Kreieren von schlängelnden Basslinien und mag es nicht, wenn sie total im Klang untergehen.

Die Musik ruft bei mir oft abstrakte Bilder im Kopf hervor, welche eigentlich einfach nur seltsam sind. Geht euch das genauso oder sollte ich mir besser darüber so meine Gedanken machen?
Ich bekomme keine Visionen, vermutlich, weil ich es sehr analytisch sehe und es mir sehr vertraut ist. Ich habe manchmal Visionen (meistens erfreuliche) von anderer Musik. Ich traue mich gar nicht zu fragen, was für Bilder du bei „Stilltrapped“ im Kopf hast.

Existieren musikalische Vorbilder oder irgendwelche Inspirationsquellen? Ausser Burzum und Nick Cave ,]
Ich versuche keinerlei musikalische Vorbilder in die Musik von Apocryphal Voice einfliessen zu lassen, sondern lediglich, was die interne Logik erfordert. Ein Quäntchen Einfluss hier und da ist sicherlich unvermeidbar, da alles, was ich höre, meinem Unterbewusstsein anhaftet und durch den kreativen Prozess seinen Weg nach draussen findet. Ich mag es, irgendwelche „Idole“ zu nennen, aber wenn ich WIRKLICH Namen nennen müsste, so wären das Carl-Michael Eide von Ved Buens Ende/Aura Noir. Was immer der Mann an Musik erschafft, ich werde es kaufen!

Wenn das erste Album schon via Candlelight/Appease Me… herausgebracht wird, ist das bemerkenswert und sicherlich mehr als fein oder?
Nachdem wir von einem kleineren Label herausgeschmissen worden sind, weil wir ein kommerzieller Reinfall waren…ja. Ich hoffe nur, so was wird nicht dieses Mal passieren. Aber falls es passiert, was willst du machen? Ich konnte kein anderes Album als das machen. Über diese Verkaufszahlen während der Aufnahmen nachzudenken ist keine Alternative, solche Gedanken gehören nicht dazu.

Dann bedanke ich mich für die Antworten und wünsche dir und Apocryphal Voice noch alles Gute!
Danke! Ich hoffe, es wird nicht wieder fünf Jahre dauern, bis das nächste Album kommt. Ich bin aber zuversichtlich, dass es nicht so sein wird!

Geschrieben am von Metal1.info

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