Konzertbericht: Brass Knuckle Boogie

2011-02-26 München, Peppermint Lounge

Wenn BRASS KNUCKLE BOOGIE zum Konzert in die Peppermint Lounge rufen kommt die Atmosphäre bei der Show immer einem Heimspiel gleich, beehrt die Truppe um Sänger Rocky die Bar doch mindestens alle halbe Jahr. Am 26.02.11 ist es dann auch mal wieder so weit, wer sich mit dieser Musikrichtung ein bisschen auskennt kann Pluspunkte einfahren, wenn er weiß, dass Johnny Cash an diesem Tag geboren wurde. Um diesem zu huldigen, haben sich BRASS KNUCKLE BOOGIE auch entschieden ein paar seiner bekannten und auch weniger bekannten Nummern ins Set zu integrieren. Für 8€ sagt man da nicht nein.

Seit ich die Band das letzte mal live gesehen habe, im Juni 2010, hat sich doch einiges bei den Jungs getan. So hat beispielsweise Hias Heinz am Kontrabass abgelöst und es ist nun immerhin das Studio gebucht, in dem im März die erste Platte aufgenommen werden soll. Insofern darf man sich, ein paar Tage vor den Aufnahmen, wohl auf jeden Fall auf eine tighte Performance freuen.Und die wird auch definitiv geboten, nur leider etwa anderthalb Stunden zu spät. Ich persönlich war zwar zuvor schon informiert, dass vor 21:30 Uhr wohl nicht mit Konzertbeginn zu rechnen sei, dass es aber nach Einlass um 20:00 dann noch geschlagene zwei Stunden dauert, bis die Band die Bühne entert ist für einen Fan, der die Band zum ersten mal besucht und dementsprechend im Gegensatz zum Szene-Publikum pünktlich auf der Matte steht, wahrscheinlich nicht grenzenlos erfreulich. Zumal sich dadurch auch das Konzertende unangenehm weit nach hinten verschiebt, aber dazu später mehr.
Zunächst lässt man sich, als es dann tatsächlich losgeht, willig mitreißen vom gewohnten Cocktail aus dem Rockabilly nahestehenden Genres, der gut ausbalancierte, angesichts der Größe des Clubs vielleicht etwas zu wohlwollend aufgedrehte Sound bereitet wiedermal überaus Spaß. Hias zeigt sich als würdiger Nachfolger am Kontrabass und verjüngt das Image der Band im Vergleich zu dem, das noch mit Rockabilly-Veteran Heinz gepflegt wurde, deutlich.
Vermehrt gibt es heute eigene Songs zu hören, zum Teil alte Bekannte wie „Peggy May“, „Rock A Duck“ oder „Louisa“, zum Teil aber auch brandneue Nummern, die erst kurz zuvor fertiggestellt wurden. Und diese sind es, welche den Abend wirklich denkwürdig machen, man hat das Gefühl, dass BRASS KNUCKLE BOOGIE sich jüngst etwas von den konventionellen Rockabilly-Stukturen und -Stilmitteln abwenden, ohne dabei aber den Groove zu verlieren. Dabei beeindruckt vor allem Gitarrist Littlejohn, der sich mit seinen Licks ebenso abwechslungsreich wie treffsicher im Sound bewegt und Dreh- und Angelpunkt zu sein scheint, wenn es darum geht, BRASS KNUCKLE BOOGIE nach mehr als hochklassig umgesetztem Rockabilly klingen zu lassen. Die anderen Musiker wissen auf ihren Instrumenten zwar ebenso zu überzeugen bis begeistern (wer könnte halsbrecherischem Piano oder treibendem Kontrabass auch widerstehen), aber das spezielle etwas findet doch hauptsächlich auf der Gitarre statt.
So ist bei den eigenen Songs, im Speziellen bei den neuen, prinzipiell alles in trockenen Tüchern, nach etwa einer halben Stunde einheizen mit diesen und einer Fülle an ebenfalls schon einmal gehörten Cover-Songs a la „You Shook Me“ oder „Buzz Buzz“ gibt es eine kleine Pause, nach der die Band nun zum Johnny Cash-Tribute-Set übergeht. Nett ist hierbei die Idee, auch ein paar unbekanntere Stücke des Meisters darzubieten und nicht nur die Klassiker-Fraktion herunterzuspielen. Diese darf selbstredend aber auch nicht fehlen, so darf man sich an „I Got Stripes“, „Folsom Prison Blues“ und natürlich „Ghostriders“ erfreuen, für die sich die Band dann auch die Unterstützung Florian Odendahls sichert, mit dem Littlejohn auch bei LederhosenCowboy & the Isar-Mafia zusammenarbeitet. Dieser entert die Bühne dann mit einer Akustikgitarre bewaffnet und singt zusätzlich die tiefe Lage der Songs. Rein musikalisch gesehen wirkt das auf jeden Fall bereichernd, die Kooperation von zwei Sängern macht da schon einiges her. Auffällig und auch durchaus etwas befremdlich ist dagegen des Stageacting des Schauspielers, der über irgendetwas derartig aufgebracht zu sein scheint, dass er immer einen entsprechenden Gesichtsausdruck an den Tag legen muss, was mit der relativ statischen Mimik der anderen Musiker nicht so recht zusammenpassen mag.
Hier wären wir dann auch beim ersten und einzig echten Kritikpunkt der Show – dem On-Stage-Verhalten der Musiker. Man muss keine Salti auf der Bühne schlagen und man soll auch sicher nicht versuchen, das Publikum mit hasserfüllten Blicken zu löchern, wozu der Kollege sich wohl angehalten fühlte, aber ein wenig mehr Spaß an der Sache kann man haben, denke ich. Gerade in einer so kleinen Location wie der Peppermint Lounge wäre es so wichtig, Kontakt zum Publikum aufzubauen und dieses anzuheizen, aber hier kommt nur sehr wenig seitens der Band. Neben Hias, der sich am Kontrabass unaufhörlich einen abgroovt und sich, obwohl er an sein Instrument gefesselt ist, damit noch beachtlich viel bewegt ist es ausgerechnet Boogiewerner, der noch am meisten Spaß am Auftritt zu haben scheint und öfter versucht, Blickkontakt zu den Mitmusikern aufzunehmen. Leider ist er aber, bedingt durch den doch sehr knapp bemessenen Platz auf der Bühne, an deren Rand zwischen Box und Klavier eingeklemmt und scheint gar nicht so richtig dazuzugehören. Nein, schade ist vor allem, dass Rocky und Littlejohn das Gefühl zu haben scheinen, jeweils in Einzelhaft im Hochsicherheitstrakt zu performen. Natürlich liegt der Anspruch der Gitarrenspuren über dem von „Akustikgitarre für Einsteiger: Lektion 1 – Wie öffne ich den Gitarrenkoffer?“ und auch eine einwandfreie Gesangsperformance fordert einiges an Konzentration, aber dem Publikum zumindest ein wenig mehr zu zeigen, dass man auf der Bühne Spaß hat, zusammen und als Band, sollte wohl möglich sein und ist meiner Meinung nach Herz und Seele einer kleinen Clubshow. BRASS KNUCKLE BOOGIE haben es irgendwie verpasst, von der großen auf die kleine Bühne herunterzurechnen, im Sommer 2010 im Bierzelt des StuStaCulums war es nämlich gerade diese Reserviertheit, die eine Menge Stil hatte und wo auch jeder Musiker für sich mit beeindruckender Bühnenpräsenz glänzen konnte. In der kleinen Location klappt das so eben nicht.

Der andere kleine Dämpfer ist dagegen kaum als Kritikpunkt zu formulieren, würden viele Leute doch genau diesen als Vorzug der Show einstufen und damit sogar objektiv gesehen recht haben. Und klar, das ist ein Heimspiel, es gibt ein zusätzliches Cash-Set, das sicher ein Viertel der Setlist einnimmt und zwischen den drei Blöcken an Musik werden sogar jeweils ca. 10 Minuten Pause gemacht – mich persönlich ermüdet es aber dennoch, mir über drei Stunden hinweg eine Band anzuhören, die noch kein einziges Album herausgebracht hat und von der man dementsprechend nur ein paar wenige MySpace-Songs und ebensoviele Fetzen verschiedener Coversongs vage im Kopf hat. Man verliert, wenn der Kontrabass beim 40. mal auf annähernd gleichem Tempo einsteigt schlicht die Orientierung, was genau den Song eigentlich von seinem Vorgänger unterscheidet. Das bedeutet noch nicht einmal, dass tatsächlich zu wenig Abwechslung geboten wird, aber man muss aus Fairness gegenüber sich selbst sagen, dass die Gelegenheiten, sich mit den BRASS KNUCKLE BOOGIE-Songs so weit vertraut zu machen, um diese im Detail voneinander unterscheiden zu können, bisher eher rar gesät waren. Irgendwann gegen halb eins, wenn die schon jetzt unsterblichen Kracher „The Brass Knuckle Boogie“ und „Shark Attack“ dann auch gespielt sind und man sicher ist, heute keine Nummer mehr zu kennen, nimmt die Konzentration dann auch rapide ab. Um diese Uhrzeit vertretbar, denke ich.

Aus der langen Spielzeit folgt dann auch, dass das Konzert erst um 1:05 Uhr, endet, natürlich muss wiederum jeder für sich selbst entscheiden, ob er um so eine Zeit noch aufnahmefähig ist, vielleicht würden konventionellere Zeiten oder zumindest die Ankündigung des tatsächlich genutzten Zeitrahmens aber nicht schaden.
Die ganze Veranstaltung war wie schon mehrmals erwähnt aber eben ein Heimspiel – und eigentlich bekanntermaßen ein Heimspiel. Deshalb möchte ich die Kritik gar nicht so sehr auf die Show selbst beziehen, da wahrscheinlich die meisten BRASS KNUCKLE BOOGIE-Fans im Raum genau das bekommen haben, was sie wollten und wofür sie eben auch gekommen waren. Der Zuspruch, der bis hin zu den drei-vier Zugabenummern konstant gut war, gibt der Band hier recht. Eher sollte diese als allgemeine Anregung für künftige Shows verstanden werden.
So oder so darf man auf das Album und die dann hoffentlich vermehrt anstehenden Konzerte zum Release gespannt sein, insofern hat der Abend seinen Zweck wohl auch aus Bandsicht erfüllt. Und im Endeffekt gehe ja auch ich wieder zufrieden nach Hause.

Set 1:
01. Brand New Cadillac
02. Buzz Buzz
03. Bloody Moon
04. Secret Agent Man
05. I’m On Fire
06. Rock This Joint
07. Red Hot
08. You Shook Me
09. Red Light
10. Whole Lotta Shakin
11. Great Balls Of Fire

12. General Lee
13. Folsom Prison Blues
14. They Never Will
15. Sea Of Heartbreak
16. Understand Your Man
17. Cry Cry Cry
18. I Got Stripes
19. Ghostriders

Set 2:
01. Backyard Boogie
02. Peggy May
03. Ruby
04. Furious Night
05. Cradle Of Love
06. I Go Ape
07. Cupid’s Victim
08. Shakin All Over
09. 16 Tons
10. Louisa
11. Next Time
12. Rock A Duck
13. Old Man Joe
14. Road Rage
15. Welcome To My House
16. Shark Attack
17. The Brassknuckleboogie
18. Hell Machine

+ Vier Zugaben

Publiziert am von Marius Mutz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert