Konzertbericht: Carl Palmer Band

2010-03-13 Freising, Lindenkeller

Kontrastprogramm ist angesagt: Nachdem es Donnerstag auf die durchaus freakige Suicidal Black Metal-Show der Schweden Shining ging, steht heute eine andere Band, eine andere Nationalität und ein anderes Genre auf dem Programm. England ist das Heimatland des Hauptprotagonisten, der der CARL PALMER BAND seinen Namen gibt. Gespielt wird Progressive Rock.

Wenn man den Namen Carl Palmer schonmal gehört hat, dann in Verbindung mit Emerson, Lake & Palmer, einer der größten Progressive Rock Bands der 70er und 80er, oder in Verbindung mit Asia – zu „Heat Of The Moment“ muss man wohl weiter nichts sagen. Daraus kann man sich grob die Reputation des Schlagzeugers ableiten, der sich entsprechend mit Stuart Clayton am Bass und Paul Bielatowicz an der Gitarre zwei hochklassige (und das meine ich nicht im Sinne von „die beherrschen ihre Instrumente ziemlich gut“, sondern im Sinne von „dir bleibt der Mund offen stehen“) Mitmusiker angelte. Der Abend steht unter dem Motto „A Night Of Emerson, Lake & Palmer“, soll heißen, heute werden nur Songs der einstigen Hauptband Palmers geboten. Der Witz: Da sowohl der soundprägende Synthesizer Keiths Emersons, als auch der charakteristische Gesang Greg Lakes fehlt, müssen die beiden Saiteninstrumentalisten deren Job unter sich aufteilen. Da die Gitarre im Original-Sound nichts zu suchen hatte, ist logischerweise zumeist sie gefragt, wenn es um Umsetzung der Themen geht. Der Effekt: Der Klang ELPs, der sich ja hauptsächlich durch Klassikadaptionen im Rock-Gewand auszeichnete, wird noch weiter in die von ELP veranschlagte Richtung getrieben, Gitarre, Schlagzeug und Bass stellen wohl DIE klassische Rockbesetzung schlechthin dar.
So weit zum Vorgeplänkel, weiter geht der Bericht nach der Show, als mir aus dem Booklet einer älteren Live-Aufnahme der Spruch „A Living Legend – The Drummer’s Drummer“ entgegenleuchtet. Ich überlege ein wenig, und denke mir: Ja, genau das ist die Aussage, die den Auftritt Carl Palmers in Freising treffend zusammenfasst.
Richtig los geht die Show für mich nach einem mir unbekannten Song direkt mit der zweiten Nummer namens „Hoedown“. Der von „Trilogy“ stammende Klassiker krankt in der CPB-Version ein wenig daran, dass es relativ schwierig ist, mit der Gitarre alleine zwei Instrumente Emersons umzusetzen, aber die Party-Stimmung, die der Song nunmal verbreitet, ist trotzdem vorhanden, und entsprechend wird das übrigens überwiegend in die Jahre gekommene Publikum angeheizt. Es folgt „Peter Gunn“, Palmer beschreibt ihn selbst als instrumental sehr billigen Song mit dennoch coolem Sound, und so klingt es dann auch, wiederum ein relativ „Gute Laune“-orientiertes Lied. Weiter geht es in meiner Erinnerung direkt mit „Canario“, welcher von Palmer humoristisch-selbstironisch als „We looked a bit like the Bee Gees on the cover of this album“ ankündigt wird (um zu verstehen, was gemeint ist, begutachte man das „Love Beach“-Cover). Vom Publikum erstmal nicht sehr gut angenommen, vermutlich eben wegen dem unglaublich schlechtem Plattencover, garantiert der Song dennoch hochklassige Instrumentalarbeit aller Protagonisten, und das ändert sich auch während des restlichen Sets nicht, was unter anderem „Fanfare For The Common Man“, „Bitches Crystal“ oder „Trilogy“ (On the cover I’m the smart-looking guy on the far-right“) unterstreichen. Die eigentlichen Höhepunkte der Show liegen dennoch woanders: Zum einen die Soli der Saiteninstrumentalisten, bei welcher beide verschiedenste Spieltechniken in sich steigernder Geschwindigkeit präsentieren. Dass dabei das Kind im Manne nicht verloren geht, zeigt zum einen Bassist Claytons Adaption der Simpsons-Titelmelodie. Um für das folgende Slapsolo ausreichend gewappnet zu sein wird konsequenterweise außerdem das Griffbrett zum Leuchten gebracht.

Aber auch trotz dieser eindrücklichen, unkonventionellen Soli stehen die drei größten Momente noch aus: Da wären einmal „Pictures At An Exhibition“, das direkt vom ELP-Hit „Nutrocker“ gefolgt wird. Dieses bringt abschließend noch einmal auf den Punkt, was den Abend ausgemacht hat: Palmers höllisch präzises Drumming, welches mit untypischen Mitteln zu jeder Sekunde absolut zwingende Grooves erzeugt, seine unvergleichliche Geschwindigkeit, die Wucht, mit der er seine Felle regelrecht verprügelt, auf der anderen Seite aber die absolut differenzierten, gefühlvollen Fills. Dass daneben der Bass ein wenig untergeht ist schade, aber kaum zu ändern, dass der Fokus bei so einer Show auf dem Schlagzeuger liegt, muss wohl klar sein. Bielatowicz dagegen kann sich sehr präsent im Sound platzieren, mit Gitarren, die oft in Richtung Synthie verfälscht sind, empfindet er sehr eindrucksvoll das in Richtung Schallmauer tendierende Spiel Keith Emersons nach. Für Bielatowicz kein Problem, er schüttelt das alles locker aus dem Ärmel und findet dabei auch noch Zeit, in sich hinein zu grinsen. Die äußerst begrüßenswerte Folge der Gitarre in den ELP-Songs ist, dass der Sound deutlich an Härte zulegt und die weittragenden, klassischen Melodien viel ehrlicher und direkter wirken. Neben „Trilogy“ gewinnt dadurch der zweite echte Höhepunkt der Show gewaltig an Stil. Dieser ist die zweite und letzte Zugabe, die von Palmer schlicht angekündigt wird mit den Worten „Thank you for coming. This piece is by Carl Orff. It’s called Carmina Burana.“ Gänsehaut. Unglaublich. Perfekter kann eine Show, in welcher zuvor schon Adaptionen Mussorgskys oder Tschaikowskys geboten wurden, gerade in Deutschland wohl nicht abgerundet werden. Dieser Abschluss ist dann auch der einzige nicht-ELP-Song der Show, der es aber eben auch entsprechend in sich hat.

Und wiederum verblasst alles im Angesicht des letzten Höhepunkts der Show, der schon etwas früher stattfand: Ein etwa 10-minütiges Schlagzeugsolo des Meisters persönlich. Palmer präsentiert mit Sicherheit das facettenreichste Spiel, das ich je auf einem Schlagzeugset gehört habe: Einfühlsame, melodiöse Percussion-Elemente, Demonstrationen, wieviele verschiedene Klänge man seinen Becken eigentlich entlocken kann, humorvolle Experimente mit der vielseitigen Verwendbarkeit eines Drumsticks, donnernde, markerschütternde Sequenzen und dazwischen Geschwindigkeitsrekorde, wie es eigentlich nicht menschenmöglich sein sollte. Palmer beweist, dass er nicht nur Techniker, sondern auch und vor allem Musiker ist.

Und natürlich, dass er immer noch gewaltig Bock darauf hat, Schlagzeug zu spielen und sich an diesem weiterzuentwickeln. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass der bald 60-Jährige sich immer noch in kleine Hallen wie in Freising hockt und vor 150 Leuten zwei Stunden die Sau rauslässt, sich die Hand blutig spielt und dabei immer noch sehr charismatisch wirkt („Hey you back there, could you turn more lights on, we’re not a Psychedelic band, we play Prog!“). Das Publikum dankte es ihm aber auch entsprechend, gerade dafür, dass der Altersdurchschnitt doch bei gut 50 Jahren lag, fiel der Applaus erfreulich euphorisch aus, Palmer wurde die komplette Show über frenetisch abgefeiert. Hat der Mann absolut verdient. Hier geht es nicht mehr um Genres, es ist egal, dass das nun Progressive Rock ist, das hier sind drei großartige Musiker, die einen großartigen Abend geliefert haben, an welchem sich schlicht und ergreifend kein einziger Makel findet. Die CARL PALMER BAND liefert für mich das beste Konzert, das ich bisher überhaupt gesehen habe (vielleicht schwingt noch ein wenig Euphorie mit, aber ändern kann sich daran wohl nichts mehr.) Wer die Gelegenheit bekommt, Palmer zu sehen, sollte diese ohne wenn und aber nutzen. Besser kann man seine auf Musik verwendete Zeit kaum verbringen. Ich bin gespannt auf die ELP-Reunion.

Publiziert am von Marius Mutz

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