Konzertbericht: Deadlock w/ All Its Grace

2011-02-28 Frankfurt, Nachtleben

Keine Ahnung, ob es demographische Untersuchungen darüber gibt, an welchem Wochentag Konzerte die meisten Besucher anlocken. Auf den Montag hätte ich jedenfalls beim besten Willen nicht getippt, jedenfalls nicht, wenn es um Gigs von Bands der eher härteren Gangart geht. Ich meine, wenn man sich am Wochenende schon verausgabt hat, dann sind montags die Kräfte bestimmt nicht schon wieder soweit hergestellt, dass man ein oder zwei Bands solchen Kalibers mit dem nötigen Einsatz begegnen kann, den so ein Konzert eigentlich verdient hat.
Nun schickten sich die experimentellen Melo-Deather von DEADLOCK trotzdem an, das frankfurterische Publikum im Club Nachtleben an einem Montag, genauer gesagt dem Abend des 28. Februar 2011, für sich zu gewinnen. Mit im Handgepäck hatten sie die Mainzer Jungs von ALL ITS GRACE. Stellt sich die Frage, ob sich der Eintrittspreis von knapp 12€ bei diesem Package gelohnt hat…

Was ALL ITS GRACE angeht, so war „ihr Anteil“ am Kassenobulus jedenfalls alles andere als in den Sand gesetzt. Kurz vor neun betrat der sympathische Fünfer aus der rheinland-pfälzischen Hauptstadt die Bühne des Nachtlebens und legten gleich los. Gespielt wurde melodischer Death Metal mit latentem Metalcore-Einschlag, nichts wirklich ausgefallenes aber doch in gefälliger songwriterischer Qualität und auf ordentlichem technischen Niveau. Letzteres ließ sich allerdings leider nur mit viel Fantasie auch wirklich heraushören, der Sound, der in den ersten Minuten des Auftritts durch die Boxen kroch, müsste bei den Prädikaten „undifferenziert und scheißen laut“ glatt verschüchtert rot werden. Und auch im weiteren Verlauf des Gigs änderte sich da nicht wirklich viel dran. Der Bass dröhnte erbarmungslos, die Gitarren sägten ohne Unterlass, Sänger Tobi keifte auch noch irgendwo herum (und kam – angesichts der Abmischung erstaunlicherweise – immer wieder gut durch die Soundwand hindurch)… Für Freunde der eher filigranen Abmischung dürfte das alles nichts gewesen sein.
ALL ITS GRACEs Material schadete es aber dann aber auch wiederum nicht wirklich. Ja, was dem Zuschauer vor den Latz geknallt wurde war undifferenziert, laut und brutal, aber… Ja, letzten Endes genau das. Laut und brutal. Und es wurde dem Zuschauer weniger vor den Latz geknallt als mehr rechts und links um die Ohren gehauen, so dass ihm Hören und Sehen verging. Die rohe, ungeschliffene, fiese Abmischung passte erstaunlich gut zur voll auf die zwölf gehende Musik der Mainzer. Das Publikum dankte es ihnen mit kreisenden Haarprachten und dem einen oder anderen Moshpit.
Letzten Endes also nichts zu meckern, wer sich für derartige Musik erwärmen kann, der dürfte viel Spaß mit ALL ITS GRACE gehabt haben (und wer das nicht kann… der war wahrscheinlich auf dem Konzert eh falsch), die sich bei den kurzen Ansagen von Sänger Tobi auch noch als sehr sympathische Band outeten (auch wenn es wohl gereicht hätte, sich nur etwa dreimal bei DEADLOCK-Gitarrist Sebastian Reichl – seines Zeichens auch Produzent der aktuellen ALL ITS GRACE-EP – zu bedanken, aber hey, lieber dreimal zu viel als einmal zu wenig). Daumen nach oben. Ob der Hauptact das toppen können würde?

(CH)

Nach der für mich in so gut wie allen Belangen überzeugenden Vorstellung der Mannen von ALL ITS GRACE war es nun, gegen 21.30 Uhr, Zeit für die Headliner von DEADLOCK. Mit ihrem neuen Album „Bizarro World“ im Rücken waren die deutschen Melodeather angereist, um dem Publikum im Nachtleben mächtig einzuheizen. Dem aufmerksamen Beobachter fiel bereits zu Beginn auf, dass Sänger Johannes Prem nicht anwesend war – laut Bandaussage befand er sich am Abend des Konzertes im Krankenhaus. Die Position des Frontmanns wurde von Bassist John Gahlert übernommen – er machte seine Sache sehr ordentlich, sowohl seine Vocals als auch seine Aktivität als Antreiber des Publikums ließen wenig zu wünschen übrig (was wohl seiner früheren Aktivität als Sänger bei The Fall Of Serenity geschuldet ist) – an die Stelle des Bassisten rückte der zweite Gitarrist Gert Rymen. Auch am Schlagzeug saß nicht wie gewöhnlich Tobias Graf, sondern jemand anders.

Eröffnet wurde das Konzert mit „Earthlings“ vom Neuling „Bizarro World“, welcher vor etwa einer Woche in die Läden kam. In diesem Namen stand schließlich auch die ganze Tour. Hier machte sich allerdings auch gleich das erste Problem bemerkbar: Mit nur einer Gitarre klingt eine Band einfach nicht so homogen wie mit zweien und gerade wenn Sebastian Reichl zu solieren begann, merkte man, dass den Liedern ein Fundament mehr oder weniger fehlte. Andererseits war dies ein Problem, für das DEADLOCK wohl eher weniger konnten, zumal die Fans im inzwischen mindestens zu 80 Prozent gefüllten Nachtleben sich zunächst recht begeistert von den Darbietungen der Band zeigten. Weiter ging es mit „Code Of Honor“ und „Virus Jones“, bei denen Sängerin Sabine Weniger bevorzugt zum Zuge kam, wie auch bei der kurz darauf folgenden, komplett von ihr gesungenen Ballade „Paranoia Extravaganza“ – das Piano dafür kam allerdings aus der Konserve. Auch machte sich hier bemerkbar, dass sie live bei den längeren Gesangspassagen an Grenzen stößt: Zwar fiel es nur bei genauem Hinhören auf, dass sie Töne mitunter nicht komplett traf, deutlich frappierender war aber, dass sie es auch nicht mehr schaffte, das erforderliche Gesangsvolumen aufzubringen, um überhaupt über die Gitarren hinwegzusingen – bei den ruhigen Balladen ging das gerade noch so, bei den lauteren Songs fiel es negativ auf.

Zwar ließ die Begeisterung im Publikum zwischendurch etwas ab, schwoll dann gegen Ende hin jedoch noch einmal mächtig an, als DEADLOCK den schnellen Song „End Begins“ – mit dem unsäglichen Techno – Interlude vor dem Solo – spielten (den ich jedoch immer schon lustig fand, und der live gut ankam), dann einen letzten Song ankündigten, um unbehelligt davon sofort danach den Manifesto – Opener „The Moribund Choir vs The Trumpets Of Armaggeddon“ zu spielen, und schließlich das Konzert mit „Martyr To Science“ zu beenden. Zugaben gab es keine mehr, um etwa 22.40 Uhr war endgültig Schluss. Zwar waren DEADLOCK an diesem Tag nicht schlecht – die ganz große Begeisterung wollte bei mir jedoch nicht aufkommen. Das lag zum einen daran, dass im Arsenal von DEADLOCK sowohl richtig heftige, als auch richtig schnelle Lieder fehlen, was sich live in meinen Augen eher bemerkbar macht als auf Platte. Dazu kamen die angesprochenen Besetzungsprobleme und die Tatsache, dass die anwesenden Bandmitglieder schlichtweg etwas müde wirkten. Es klingt vielleicht komisch, aber für mich waren ALL ITS GRACE an diesem Abend die bessere Band.

(PS)

Publiziert am von Pascal Stieler

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