Konzertbericht: Eric Fish & Friends w/ Bodenski

2012-04-27 Backstage, München

Anders sein und anders bleiben – so lautet ein Teil des Refrains aus einem der bekanntesten Songs von ERIC FISH & FRIENDS. Hinter diesem schlicht betitelten Projekt versteckt sich eben genau dieses: Subway to Sally-Frontmann Eric spielt größtenteils akustisch zusammen mit einigen befreundeten Musikern für seine selbsternannten Freunde im Publikum. Nur in München scheint wieder einmal vieles anders als anderswo zu sein.

Doch bevor die „Fishe“ die Bühne entern, debütiert zunächst Michael Boden alias BODENSKI mit seinem gleichnamigen Soloprojekt in der bayerischen Landeshauptstadt. Bereits um 19.30 Uhr haben es sich viele Fans mit Kissen und Decken vor der Bühne bequem gemacht – es herrscht Wohnzimmeratmosphäre. Lautstarke Ekstase ist (zunächst) ausgeschlossen, als die ersten Takte im Stile von Element of a Crime und Kettcar über die Lautsprecher ertönen. Doch genau wie seine Bandkollege lädt BODENSKI mit den Stücken aus seinem jüngst erschienenen Erstlingswerk „Auto!“ weniger zum Feiern als vielmehr zum Zuhören und zur kollektiven Alltagsflucht ein. Der dargebotene Stilmix besteht vorwiegend aus rockpopigem Singer/Songwriter-Material, größtenteils aus der Feder des Subway to Sally-Texters selbst, der sich in ungewohnter Rolle am Mikro sichtlich wohl fühlt. Nur einmal greift er zusammen mit seiner Frau Jeano auf Altbewährtes zurück: bei einer deutschsprachigen Coverversion von Nick Cave & Kylie Minogues „Where The Wild Roses Grow“. Die dichte Atmosphäre des Klassikers lässt so manch ungenauen Ton vergessen, ebenso wie der gesamte Auftritt im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch vereinzelte Technikpannen oder ein kürzeres Set als auf dem Rest der Tour kompensiert. Souverän meistert Bodenski all die kleineren Unwägbarkeiten inklusive eines störrischen Dachfensters, welches sich überraschend während seines Auftritts öffnet. Dadurch hinterlässt der Blondschopf insgesamt einen sehr sympathischen und überlegenen Eindruck, auch fernab von gelungenen Eigenkompositionen mit viel Tiefgang und literarischem Nährwert.

Nach kurzer Pause ändert sich die musikalische Gangart wenig: Es wird lediglich in Teilbereichen irischer. Denn ERIC FISH & FRIENDS haben extra im Rahmen dieser Tour ihre neue CD „Zugabe III“ veröffentlicht. Diese enthält ausschließlich englischsprachige Songs mit viel folkigem Pep. Eben jener fehlt einigen der Fish’schen Eigenkompositionen, die besonders auf Deutsch und im hochballadesken Stil genau jene Menge ansprechen, die sich an diesem Abend im Backstage Club versammelt hat. Natürlich laden die Texte zum freien Interpretieren und Träumen ein, doch die Magie des Moments, in dem sich „Der Zocker“ ein Bier über sein Knie schüttet, ist fernab des Livekontextes schwierig zu vermitteln – und selbst dort nur mit zwei zugekniffenen Augen tragbar. So funktioniert besonders in der ersten Konzerthälfte nicht alles, was die fünf Musiker versuchen. Richtig gut werden Eric und seine Band immer, wenn es irisch und damit auch schneller bzw. rhythmischer wird. Dies ist anfangs bei einem stark geschnürten Dreierpack der Fall (gekrönt von „The Lilly Of The West“) und in der zweiten Hälfte schließlich noch vermehrter. Doch bevor die Gäste kurz durchschnaufen können, spricht der Musiker sichtlich verstimmt über die Vorgaben in München, wonach er nur bis 22.50 Uhr spielen darf, und erzählt manch wissenswerte Geschichte zur Entstehung einzelner Songs. Zweiteres ist der limitierten Spielzeit nicht zuträglich, bringt aber manch interessante Randnotiz zutage. Als besonders Schmankerl vor der Unterbrechung haut Eric ein lautstark mitgesungenes „Anders sein“ raus. Neben den irischen Stücken das klare Highlight bis zu diesem Zeitpunkt. Englischsprachige Coverversionen wie Stings „Message In A Bottle“ sind wiederum selbst auf der gekürzten Setliste mehr schmuckes Beiwerk als essentieller Bestandteil des Auftritts.
Nach der Pause erreichen ERIC FISH & FRIENDS ohne große Vorlaufzeit wieder Betriebstemperatur und setzen ihr Set mit schnelleren Nummern fort: Auch die Stimmung im Club entwickelt sich parallel zur extrem hohen Luftfeuchtigkeit immer besser. Jedes Mal, wenn die Musiker irisch-folkige Pfade einschlagen, wird auf der Empore und unten im Saal frenetisch getanzt. Ein Beweis dafür, dass es nicht immer komplexe Texte sein müssen, um emotionale Reaktionen hervorzurufen. Gegen Ende erhebt sich Eric mehrfach von seinem Stuhl und alle Musiker kitzeln noch einmal einen Hauch mehr aus ihren Instrumenten, um für ein furioses Finale zu sorgen. Selbst Chellist B. Deutung tritt mit Zigarette im Mund mehrfach aus dem hinteren Bühnendunkel direkt vor die Menge. Unterbrochen wird die irische Feierlaune bestenfalls durch locker-flockige Intermezzos wie „Prinzessin auf der Erbse“, welches besonders mit seinem ironisch-bissigen Text besticht. Nur die nicht beliebig ausdehnbare Spielzeit scheint besonders bei Eric auf die Laune zu schlagen: So kommt er wiederholt auf das Thema zu sprechen und will sogar die wartenden Partygäste vor dem Club einfach stehen lassen. Für mehr als kurzen Jubel reicht diese Idee jedoch erwartungsgemäß nicht und so verabschieden sich ERIC FISH & FRIENDS nach einigen Zugaben, die dank der zahlreichen Hinweise auf die Spielzeit nebst tatsächlichem Ende extrem merkwürdig wirken, pünktlich.

Es gibt mit Sicherheit einen würdigeren Rahmen für derlei Konzerte als ein München bzw. ein Backstage mit strengen Vorgaben an diesem Abend. Diese Musik will und muss frei sein. Ein besonders in Bayern nicht zwangsläufig tolerierter oder verstandener Gedanke. Demnach ist die Anzahl der Münchner unter den Konzertbesuchern erwartungsgemäß überschaubar, als Eric die entsprechende Frage kurz in die Runde wirft. Musikalisch überwiegt trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen und manchem Füller der Charme der irischen Kompositionen und des gediegenen Ambientes. Demnach stehen die Chancen wohl nicht zu schlecht, dass sowohl Eric Fish als auch Bodenski mit ihren Soloprojekten noch einmal zurückkehren in den Süden. Dann vielleicht so unbegrenzt, unbeherrscht und vor allem anders wie sie auch in ihrer Musik sein wollen – und größtenteils sind.

Publiziert am von und Uschi Joas

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