Konzertbericht: Gregorian

29.01.2017 Augsburg, Schwabenhalle

Seit 1999 begeistern GREGORIAN mit ihren Interpretationen großer Songs aus den Bereichen Rock und Pop im Stil des gregorianischen Chorals ein Millionenpublikum rund um den Globus. Ende 2015 veröffentlichten sie mit „Masters Of Chant: The Final Chapter“ ihr vorerst letztes Studioalbum, da die Gruppe sich auf unbestimmte Zeit zurückziehen wird. Es folgte eine gleichnamige Abschiedstour im folgenden Jahr, die aufgrund des großen Erfolgs 2017 fortgeführt wird. Am 29. Januar gastierte das Musikerkollektiv in der Augsburger Schwabenhalle, lieferte einen guten Überblick der bisherigen Karriere ab und hatte auch einige Überraschungen sowie hochkarätige Gastmusiker zu bieten.
Nach einem kurzen Intro und dem Fall des Vorhangs eröffneten die acht Mönche den heutigen Abend mit dem selbstbetitelten „Masters Of Chant“, das mit hoher Wahrscheinlichkeit als neue Bandhymne in Erinnerung bleiben wird. Schon früh zeigt die Show die Elemente, die Liveauftritte von GREGORIAN zu einem besonderen und opulenten Spektakel machen, wie sie es auch in den letzten Jahren bewiesen haben. Großartig abgestimmte Lichteffekte treffen auf nahezu perfekte Soundabmischung und zwar etwas stoische, aber wirkungsvolle Gesangskünstler. Das Publikum auch von Anfang an auf das Ende einer Ära eingeschworen, beendet diese Tour doch das „Masters Of Chant“-Kapitel endgültig. Gleichzeitig lässt man aber auch die Option einer Rückkehr offen und spielt in humoristischer Weise mit den unzähligen Karriereenden bekannter Bands, die dann nach kurzer Zeit wieder ins Rampenlicht getreten sind. Amelia Brightman, seit vielen Jahren Begleitsängerin von GREGORIAN, zeigt sich an diesem Abend ebenfalls in Topform: Sie brilliert nicht nur den Eröffnungssong, sondern auch die Interpretationen des Gladiator-Soundtracks „Now We Are Free“ und des Rammstein-Titels „Engel“. Dennoch sollten ihre richtig großen Momente erst später folgen. Mit dem von Fasstrommeln dominierten Tears-For-Fears-Hit „Shout“ und „Cry Softly“ geht die erste Hälfte des Konzertabends zu Ende. Letztgenannter Titel liefert auch den ersten großen Auftritt des rumänischen Kontratenors Narcis, der als Mann in ungeahnte Tonlagen aufsteigt. Mit der Ankündigung, dass die Sänger sich jetzt zur Beichte begeben müssten, beginnt die 20-minütige Pause.
Der zweite Teil startet mit „Hurt“, das im Original von Nine Inch Nails stammt und in seiner bedeutendsten Version von Country-Legende Johnny Cash eingesungen wurde. GREGORIAN sind auch nach 18 Jahren nicht müde geworden und fahren jetzt die großen Momente und Hits auf. „Kiss From A Rose“ zeigt Amelia Brightman im rot-leuchtenden Kleid, während sie auf Rollschuhen über die Bühne zu gleiten scheint. Immer wieder spielt das Projekt mit kleinen zum jeweiligen Song passenden Elementen, die zwar relativ simpel und doch wirkungsvoll gestaltet sind. Bei „Crying In The Rain“ tauchen die Mönche unter beleuchteten Regenschirmen auf, die eben jenen Regen auf die Bühne prasseln lassen. „World Without End“ und „Born To Feel Alive“ führen direkt zum AC/DC-Klassiker „Hells Bells“, der in seiner heutigen Inszenierung auf eine perfekte Lichtshow und kraftvolle Umsetzung setzt. Dazu kommt gegen Ende ein Soloduell der beiden Gitarristen. Darauf erlischt das Licht in der Halle, als die acht Hauptsänger plötzlich inmitten des Publikums auftauchen und A Capella Ausschnitte aus „In My Life“ und „Crazy, Crazy Nights“ zum Besten geben, bevor die Akustikgitarre einstimmt und das emotionale „Good Night, Companions“ einleitet, in das auch die deutsche Version des Reinhard-Mey-Titels „Gute Nacht, Freunde“ verwoben wurde.
Weil das aber noch nicht genug der Gänsehaut-Momente und großen Emotionen war folgen jetzt die wirklich perfekt inszenierten Titel und großen Hits der Band: „Time To Say Goodbye“ lässt manches Auge verwässert erscheinen, während sich Narcis und Amelia Brightman im Duett zu stimmlichen Höhenflügen antreiben. Das rumänische Talent Narcis hat dann im folgenden „Gloria“, im Original von Joachim Witt, seinen einzigartigen Moment, der vielen Besuchern sicher noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Darauf folgt mit „Moment Of Peace“ einer der größten Hits, das mit acht Akustikgitarren vorgetragene „Hymn“ von Barclay James Harvest und das mit einer Lasershow bedachte „Just For You“. Den Abschluss bildet das obligatorische „Sky & Sand“ der Electro-Gebrüder Kalkbrenner, bei dem GREGORIAN sichtlich Spaß auf die Bühne bringen, aus sich herauskommen und so das Publikum nicht nur zu Standing Ovations, sondern auch zum Mittanzen einladen.

  1. Masters Of Chant
  2. Still Haven’t Found What I’m Looking For/Only You
  3. Stay
  4. Engel
  5. Meadows Of Heaven
  6. Now We Are Free
  7. Strong
  8. Shout
  9. Cry Softly
  10. Hurt
  11. The Raven
  12. Kiss From A Rose
  13. Crying In The Rain
  14. Caruso
  15. World Without End
  16. Born To Feel Alive
  17. Hells Bells
  18. In My Life/Crazy, Crazy Nights/Good Night, Companions
  19. Time To Say Goodbye
  20. Gloria
  21. Moment Of Peace
  22. Hymn
  23. Just For You
  24. Sky & Sand

GREGORIAN sind nicht ohne Grund die weltweite Speerspitze gregorianischen Choralgesangs gepaart mit modernen Melodien und großen Pop-/Rock-Songs im vielfältigen Repertoire. An diesem Abend geht wirklich eine Ära zu Ende, was die Musiker nicht nur gebührend präsentieren, sondern regelrecht zelebrieren. Als Zuschauer kann man mit diesem würdigen Konzertabend mehr als zufrieden sein, sollte ihn aber auch im Gedächtnis behalten, schließlich ist eine baldige Rückkehr nicht in Sicht. Mit GREGORIAN verliert Deutschland eine ihrer spannendsten Musikproduktionen, die nie kritiklos hingenommen wurde und auch an diesem Abend einigen kitschigen Pathos präsentiert. An der Qualität des Materials ändert dieser Umstand aber nichts. „Gute Nacht, Freunde. Es wird Zeit für mich zu geh’n. Was ich noch zu sagen hätte dauert eine Zigarette und ein letztes Glas im Steh’n.“

Publiziert am von Christian Denner

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert